: „Der Bund steht in der Verantwortung“
Die deutschen Bibliotheken leiden unter den Folgen des Föderalismus, sagt die Vorsitzende des Bundesverbandes
taz: Frau Lux, nach ersten Ermittlungen wurde der Weimarer Bibliotheksbrand möglicherweise durch marode Elektrik ausgelöst. War es unverantwortlich, wertvolle Bücher in solchen Räumen zu lagern?
Claudia Lux: Die Kollegen hatten überhaupt keine Alternative. Sie haben sich seit vielen Jahren um den nötigen Neubau bemüht, aber die Politik hat ihn immer wieder hinausgezögert. Wir Bibliothekare können zwar unsere Forderungen stellen, aber wir werden eben oft zu spät gehört.
Weimar ist kein Einzelfall?
Es gibt eine ganze Reihe von älteren Bibliotheken, in denen es große Mängel beim Brandschutz gibt. Vorbildlich ist dagegen die historische Bibliothek in Wolfenbüttel, die eine Art begehbaren Tresor geschaffen hat. Er bietet eine sehr hohe Brandsicherheit und ist trotzdem noch für das Publikum zugänglich. Das ist das Ideal, das wir uns für die kostbaren Bestände vorstellen.
Während Weimar mit seinen historischen Beständen so lange warten musste, hat die Universitätsbibliothek im benachbarten Jena längst einen Neubau bekommen. Werden die Prioritäten richtig gesetzt?
Der Unterschied erklärt sich daraus, dass Hochschulbauten zu 50 Prozent vom Bund bezuschusst werden. Alle übrigen Bibliotheken sind dagegen Ländersache – anders als in Frankreich, wo der Zentralstaat auch Stadtbibliotheken zur Hälfte finanziert.
Das deutsche Bibliothekswesen ist also ein Opfer des Föderalismus?
Wir müssen den Föderalismus nicht abschaffen, aber wir brauchen sehr viel mehr an zentraler Verantwortung für das deutsche Bibliothekswesen. Die Länder wollen immer nur bezahlen, was ihnen selbst zugute kommt. Koordinierende Aufgaben werden hin- und hergeschoben, weil niemand die Lasten tragen will. Da muss der Bund mehr Verantwortung übernehmen – auch, um die Bibliotheken zu Zentren des lebenslangen Lernens auszubauen.
Lässt sich ein solcher Service überhaupt mit der Aufgabe vereinbaren, historisch wertvolle Bestände zu bewahren?
Wir wollen, dass die Bücher auch benutzt werden. Wozu bewahren wir sie sonst? Mit der Konzeption des Neubaus hat die Weimarer Bibliothek deutlich gemacht, dass gerade eine Forschungsbibliothek auch der Forschung zur Verfügung stehen muss. Wäre die Politik früher darauf eingegangen, stünde der Neubau längst.
Hätte man die Sicherheit wenigstens für die Übergangszeit verbessern können – etwa mit Sprinkleranlagen?
Sprinkleranlagen sind für Bibliotheken ganz gefährlich. Durch das Wasser werden oft mehr Bücher zerstört als durch den Brand. Es gibt moderne Löschmethoden, die ohne Wasser arbeiten. Solche Installationen sind im Moment noch sehr teuer. Aber nasse Bücher zu restaurieren ist um ein Vielfaches teurer.
INTERVIEW: RALPH BOLLMANN