: Erwin soll jetzt Opfer sein
Nach der Einstellung der juristischen Ermittlungen gegen Düsseldorfs CDU-OB Joachim Erwin übernimmt die NRW-CDU dessen Kritik an einer „politischen Justiz“. SPD: „Verfolgungswahn“
AUS DÜSSELDORFKLAUS JANSEN
Gestern noch schwarzes Schaf, heute schon Opferlamm: Nachdem die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft am Dienstag die Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung gegen Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) und seine Ehefrau Hille eingestellt hat, stellen ihn CDU-Landespolitiker jetzt als Justizopfer dar.
„Es gibt in NRW eine gewisse Systematik darin, Christdemokraten kurz vor Wahlen mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu überziehen“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Union, Peter Biesenbach, gestern vor dem Rechtsausschuss des Landtags. CDU-Generalsekretär Hans-Joachim Reck warf der Landesregierung vor, eine „Diffamierungskampagne“ zu führen und forderte eine öffentliche Entschuldigung von Ministerpräsident Peer Steinbrück und Finanzminister Jochen Dieckmann (beide SPD), aus dessen Behörde Informationen über die angebliche Steuerhinterziehung Erwins an die Öffentlichkeit weiter gegeben worden sein sollen. Ein Sprecher der Landesregierung lehnte dies ab: „Zu so einem Unsinn äußern wir uns nicht.“
Die Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bedeutet für Erwin jedoch noch nicht automatisch das Ende allen Ärgers: Noch immer droht dem OB ein Ordnungswidrigkeitsverfahren. Zuständig wäre die Düsseldorfer Finanzbehörde: „Noch haben wir keine Akteneinsicht, aber generell liegt bei einer Verneinung von vorsätzlicher Steuerhinterziehung nahe, dass fahrlässig gehandelt wurde“, sagte Martin Fliedner, Sprecher der Oberfinanzdirektion Düsseldorf. Schlimmstenfalls müsste Erwin eine Geldbuße in sechsstelliger Höhe bezahlen.
NRW-Justizminister Wolfgang Gerhards (SPD) wies gestern im Landtag Erwins Vorwurf einer politisch motivierten Ermittlung zurück. Die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren „ohne einen Hauch von politischer Einflussnahme“ geführt. Ein schnelleres Ende der Ermittlungen sei auch deshalb nicht möglich gewesen, weil die Anwälte Erwins um Akteneinsicht gebeten hätten. „Es gibt keinen Promi-Bonus oder Promi-Malus“, sagte Gerhards. Allerdings bedauere er, dass die undichte Stelle nicht gefunden worden sei, von der aus die Ermittlungsergebnisse an die Öffentlichkeit gelangt seien.
Die Einlassungen Erwins, der in den vergangenen Wochen von einer „politischen Kampagne“ und einer „unseligen Kumpanei von Staatsanwaltschaft und Landes-SPD“ gesprochen hatte, nannte Gerhards „unanständig“ und „ehrenrührig“. Erwin solle sich für seine Äußerungen entschuldigen, forderte der Minister. Der SPD-Rechtsausschussobmann Frank Sichau sprach von „Verfolgungswahn“ und „Verschwörungstheorien“ innerhalb der Union. CDU-Ausschussmitglied Biesenbach verteidigte jedoch erneut Joachim Erwins Attacken gegen die NRW-Justiz: „Wenn jemand im Wahlkampf derart angefeindet wird, ist es verständlich, sich Luft zu machen.“ Er attestierte der SPD eine „Routine“ in der Diffamierung von CDU-Politikern.
Die Wahlkampagne der Düsseldorfer SPD-Spitzenkandidatin Gudrun Hock, die mit dem Slogan „Kümmern statt Kungeln“ auf Erwins Steuerverstrickungen hingewiesen hatte, bezeichnete Biesenbach als „grandios gescheitert“. Bei der Düsseldorfer SPD glaubt man allerdings nicht daran, dass die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Konkurrenten die eigenen Wahlaussichten trübt. „Wir haben uns im Wahlkampf ohnehin nicht um die Steuergerüchte gekümmert“, sagte Martin Murrack, Referent der SPD-Kandidatin Hock. Noch sei nicht bewiesen, dass Erwin keine Steuern hinterzogen habe. Die SPD wirft ihm zudem vor, seine Nebeneinkünfte als Aufsichts- und Verwaltungsratschef nicht korrekt abgerechnet zu haben. „Allein die Bezüge, die der OB als Aufsichtsrat von der Stadtsparkasse und von RWE bekommt, übersteigen die abgeführte Summe an die Stadtkasse um das Doppelte“, will Murrack lieber über die nächste Erwin-Affäre reden.