: Zum Kuckuck fahren
Kein Platz für RadfahrerInnen auf Hamburgs Straßen – und in der Bürgerschaft auch nicht. Opposition geißelt Kürzungpläne beim Wegebau
von Sven-Michael Veit
Freie Fahrt für RadlerInnen in Hamburg ist kein Tabu. Einmal im Jahr dürfen sich alle, die das wollen, bei den Cyclassics austoben. Im Rest des Jahres gelten sie vornehmlich als Störfaktoren für Autos – eine Interpretation der Regierungspolitik, welche Bau- und Umweltsenator Michael Freytag (CDU) vehement bestreitet, aber nicht widerlegen kann.
So auch gestern in der Bürgerschaft. Da stritt der GALier Jörg Lühmann wortreich für die Rechte von RadfahrerInnen im Alltag auf Straßen und Radwegen, pflichtgemäß aber ohne großes Engagement assistiert von Karin Timmermann (SPD). Und wurde dafür abgewatscht von Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU), der seine Sicht bekräftigte, dass „Investitionen in den Hafen wichtiger sind als in Radwege“. Zuvor hatte Lühmann die Amputation der Mittel für den Radwegebau scharf angegriffen. Nur noch 200.000 statt bisher rund 2,2 Millionen Euro sieht der Haushaltsplan des Senats für die beiden nächsten Jahre vor (taz berictete). Offenbar sehe die Regierung im Fahrrad „eine Gefahr für die Dominanz des Autos“, mutmaßte deshalb Lühmann.
Rückständig sei die Verkehrspolitik des Senats, weil sie Radfahren weder als wirtschaftspolitisch noch als umweltpolitisch sinnvoll betrachte, so Lühmann. Unter Rot-Grün sei hingegen ein wegweisendes Netz von Velorouten installiert worden, welches mehr Sicherheit und Bequemlichkeit für RadlerInnen schaffe und zugleich „die Straßen für den Wirtschaftsverkehr frei macht“. Die Streichung der Investitionen sei deshalb „kontraproduktiv und widersinnig“.
Auch Timmermann beharrte darauf, dass viele Radwege aufgrund ihres schlechten Zustandes „neu gebaut oder grundinstandgesetzt werden müssen“. Sie verwies auf Sonderprogramme, durch die unter roten und rot-grünen Senaten der Bau gefördert wurde. Wenn der Senat die Mittel nun so drastisch kappe, treffe das vor allem die Schwächsten: „Schlechte Radwege sind gefährlich für die vielen Kinder, die mit dem Rad zur Schule fahren.“
Ein Vorwurf, den Freytag nicht auf sich sitzen ließ. Wenn die Wege schlecht seien, dann sei das die Schuld von SPD und GAL: „Die Schlaglöcher sind die rot-grünen Kuckuckseier von früher“, erklärte er mit beeindruckender Metaphorik, ohne darauf einzugehen, ob er diese Verkehrshindernisse zu beseitigen gedenke. Stattdessen benannte der Bausenator, der in seinem Nebenjob als Umweltsenator noch im Juni die Schirmherrschaft für die Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“ ohne größere Folgen übernommen hatte, lieber mächtig gestiegene Millionensummen für den Straßenbau und versicherte, dass „der Senat in der Verkehrspolitik deutlich Kurs hält – ob Ihnen das passt oder nicht“.
Den Begriff Radwegebau vermied er sorgsam. Vielleicht auch deshalb, weil sich an dem bereits der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Hesse schwer verschluckt hatte. Der erklärte mit bemerkenswerter Offenheit, dass es keinen Cent mehr geben werde „für politisch motivierte Radwege, die später unterhalten werden müssen“. Weil die Stadt nunmal knapp bei Kasse sei, „muss der Senat sparsam sein, und deshalb ist er es auch beim Neubau von Radwegen“. Allerdings würden keine Radwege geschlossen: „Die Struktur der Radwege bleibt erhalten“, versicherte er, und „Sanierungen“ würden weiterhin vorgenommen als Nebenprodukt von Straßenbauarbeiten. „Die Zukunft der Hamburger Radwege“, treuherzte Hesse, „ist bei und in guten Händen.“
Dann könnten doch die vom Fahrrad-Club ADFC geforderten Fahrradstreifen auf den Straßen eingeführt werden, schlug Lühmann vor, die seien einfach zu machen, sicher für RadlerInnen und billig: „Das kostet nur etwas Farbe.“ Ein letztlich undurchdachtes Ansinnen. Der Senat streicht zwar, aber nicht an.