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Archiv-Artikel

Amokdrohung im Kondolenzbuch

30 potenzielle Nachahmer des Blutbads von Winnenden sind bislang in Niedersachsen auffällig geworden. Beim Waffengesetz ist Innenminister Schünemann (CDU) gegen Schnellschüsse, bestimmte Computerspiele aber sähe er gern verboten

VON KAI SCHÖNEBERG

Kaum eine Woche nach dem Amoklauf von Winnenden hat allein die Polizei in Niedersachsen bislang etwa 30 Fälle von so genannten „Trittbrettfahrern“ registriert. Aus allen Schultypen und Regionen des Landes seien Nachahmertaten des Blutbads vom vergangenen Mittwoch gemeldet worden, sagte Innenminister Uwe Schünemann (CDU) am Montag in Hannover.

Kurz zuvor hatte die Polizei in Bramsche einen 15-Jährigen festgenommen, der einen Amoklauf angekündigt haben soll. Bei einem ähnlichen Fall in Nordhorn sicherten Polizisten eine berufsbildende Schule einen Vormittag lang ab.

Für die Heranwachsenden ist es oft ein Jux, die Behörden bringt die Ankündigung in die Bredouille: echt oder nur eine Mutprobe? Ausgerückt werden muss immer. Egal, ob es sich um einen Scherz handelt oder, so Schünemann, „jemand by the way erzählt, ich lauf’ hier bald Amok und der und der Lehrer ist der Erste“. Derlei sei „sehr ernst zu nehmen“, sagte der Minister.

So habe ein Elfjähriger aus dem Landkreis Wilhelmshaven Sozialarbeiter verschreckt, als er eine Gas- und Schreckschusspistole samt Platzpatronen in der Schule auspackte. Die Waffe kann aus der Nähe abgefeuert zu schweren Verletzungen führen.

Auch per Graffiti auf der Mädchentoilette sei bereits eine Bombendrohung abgesetzt worden, erzählte Schünemann. Sogar in einem Kondolenzbuch anlässlich einer Beerdigung wurde bereits eine Todeswarnung abgesetzt. Auch der Äußerung in einem Chatroom: „Lass uns morgen in der Schule Amok laufen und alle Schüler umhauen“, ist die Polizei inzwischen nachgegangen.

Teuer wird das Spiel mit dem Thrill wahrscheinlich für einen 21-Jährigen aus Schneverdingen, der bereits zwei Tage nach der Tat von Winnenden festgenommen wurde. Zuvor hatte er in einem Internetchat mit Amok an einer Schule gedroht. Obwohl es eine Schule mit dem in der Drohung genannten Namen im ganzen Kreis Soltau-Fallingbostel nicht gibt, hätten die Ermittler die Ernsthaftigkeit der Einträge nicht ausschließen können, sagte ein Sprecher. Deshalb seien am Freitag Morgen 40 Polizisten in die Wohnung des vermeintlichen „Killers“ eingedrungen. Er habe sich mit Freunden „nur einen Spaß“ machen wollen, sagte dieser bei der Festnahme. Nun droht ihm ein Strafverfahren wegen Störung des öffentlichen Friedens. Daneben wird er auch die Kosten des Einsatzes tragen müssen es, etwa 10.000 Euro. Notfalls werde er die Gebührenordnung ändern, damit das Eintreiben solcher Gelder leichter werde, sagte Schünemann nun. Und: „Wir müssen alles daran setzen, dass das abschreckende Wirkung hat.“

Während der Minister sich wie zuvor die Kanzlerin für mehr verdachtsunabhängige Kontrollen bei Waffenbesitzern aussprach, lehnt Schünemann „Schnellschüsse“ bei der Verschärfung des Waffenrechts ab. Für Forderungen wie die Aufbewahrung von Schusswaffen in Schützenhäusern oder dem Verbot von Waffen in Privatbesitz sei es „viel zu früh“.

Zugleich wiederholte er die Forderung, gewaltverherrlichende Computer-Killerspiele – genannt wird stets „Counterstrike“ – zu verbieten. „Es gibt eine Bundesratsinitiative aus Bayern, die leider Gottes auf Eis gelegt worden ist“, sagte er. Man komme „nicht umhin, dieses gerade jetzt wieder zu diskutieren“.

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