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Archiv-Artikel

„Da hat sie mich gereizt angeraunzt“

Erst leugnete die Polizistin: Sie trage gar keine verbotenen Quarzsandhandschuhe, sagte sie dem freiberuflichen Fotografen mit dem Künstlernamen Harald Hakenstein. Doch inzwischen hat die Polizei den Vorfall offiziell bestätigt

HARALD HAKENSTEIN ist der Künstlername des freiberuflichen 24-jährigen Fotografen.

taz: Herr Hakenstein, bei dem Polizeieinsatz zum Schutz des NPD-Parteitags in Köpenick haben Sie eine Polizistin mit Quarzsandhandschuhen entdeckt. Was haben Sie getan?

Harald Hakenstein: Nachdem ich mir die Handschuhe genau angeschaut hatte, habe ich ein Foto gemacht. Ich war mir sicher, dass es sich um Quarzsandhandschuhe handelt.

Wie hat die Polizistin reagiert?

Sie dachte zunächst offenbar, dass ich Porträtaufnahmen von ihr mache. Sie verlangte, dass ich die Fotos wieder lösche. Ich habe ihr erklärt, es gehe mir nicht um ihr Gesicht, sondern um ihre Handschuhe. Da hat sie mich gereizt angeraunzt, da sei kein Sand drin, und hat die Hände hinter dem Rücken verschränkt. In dieser Position ist sie auf der Straße stehen geblieben, bis die Polizeikette abgezogen wurde.

Was passierte dann?

Die Beamtin ist in einen Polizeiwagen gestiegen. Als ich sie später wiedergesehen habe, hatte sie keine Handschuhe mehr an.

Wie ging es weiter?

Zusammen mit anderen Kollegen, die das auch beobachtet hatten, habe ich die Versammlungsleiterin der Gegendemonstration von dem Vorfall unterrichtet. Sie hat den Zugführer angesprochen. Der hat sich dann auf meinem Bildschirm das Foto angeschaut.

Wie war seine Reaktion?

Er hat genauso reagiert wie die Beamtin: Da sei kein Sand drin, dass seien ganz normale Handschuhe. Ich habe der Versammlungsleiterin meine E-Mail-Adresse gegeben, damit wir den Fall eventuell im Innenausschuss zur Sprache bringen können. Später kam der Gesamthundertschaftsführer dazu. Der hat gemeint, auf dem kleinen Bildschirm lasse sich nicht eindeutig erkennen, um was für Handschuhe es sich handele. Er hat sich alles notiert und mir seine Postanschrift gegeben, damit ich ihm das Foto in groß zukommen lasse.

Einen Tag später, am Sonntag, hat die Polizeipressestelle eingeräumt, dass es tatsächlich Quarzsandhandschuhe waren. Die Beamtin habe angegeben, versehentlich ihre privaten Motorradhandschuhe angezogen zu haben. Wörtlich heißt es im Pressetext: „Ihren Angaben zufolge habe sie die Handschuhe getauscht, nachdem sie den Fehler bemerkt habe.“

So, wie die Beamtin mir gegenüber reagiert hat, halte ich das nicht für glaubwürdig.

Haben Sie als Fotograf schon öfter Quarzsandhandschuhe bei Polizisten gesehen?

Nicht mehr, seit das Thema im November so groß skandalisiert wurde. Damals waren ja etliche Paare gefunden worden. Davor war es regelmäßig zu sehen, dass Polizisten Quarzsandhandschuhe anhatten.

Woran erkennen Sie diese Handschuhe?

Wer eine Auge dafür hat, sieht sofort, um was für Handschuhe es sich handelt. Wenn die Hand locker herunterhängt, sehen sie recht unscheinbar aus. Aber sobald die Faust geballt wird, verdichtet sich der Sand. An den Knöcheln wird das Leder ganz straff. Außerdem erkennt man sie an den Nähten.

Achten Sie bei Fototerminen bewusst auf die Hände der Polizisten?

Ja. Seitdem der Handschuhfund im November vom Polizeipräsidenten skandalisiert worden ist, weiß ich, dass Quarzsandhandschuhe per Dienstanweisung verboten sind. Jetzt schaue ich genauer hin.

Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?

Als Fotograf sehe ich bei Demonstrationen oft Opfer von Polizeigewalt. Ob die Beamten rechtmäßig oder unrechtmäßig agieren, sei dahingestellt. Ich möchte helfen sicherzustellen, dass Polizisten keine Waffen tragen, die per Dienstanweisung für sie verboten sind. Schließlich können Quarzsandhandschuhe schwerste Verletzungen verursachen.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE