Advokat, Dandy

Otto Schily wird am 20. Juli 1932 geboren. Ein historisches Datum: An diesem Tag putscht Franz von Papen (Zentrumspartei) die sozialdemokratische Regierung Preußens aus dem Amt. Auch Carl Severing, letzter SPD-Innenminister in der Weimarer Republik, muss zurücktreten. 1998 wird Otto Schily der erste reguläre deutsche SPD-Innenminister seit Severing.

Schilys Vater Franz arbeitet als Prokurist beim „Bochumer Verein“, einer der größten Rüstungsfabriken im Ruhrgebiet. 1941 durchsuchen die Nazis das Haus der Schilys in Bochum nach anthroposophischer Literatur. Die Kriegszeit verbringt er in Garmisch-Partenkirchen.

Nach 1945 studiert Otto Schily in München, später in Hamburg Jura. Seine Neigung gilt indes der Musik, er spielt Cello, Klavier und Geige – doch für eine Musikerkarriere fehlt das Vertrauen ins eigene Talent.

1958 geht er nach Berlin. Zeitgenossen erinnert er in den Sechzigern an einen Dandy: wohl gekleidet, vornehm, zurückhaltend. 1967 ist er an der Gründung des Republikanischen Clubs beteiligt. Der FDP-Wähler nähert sich den Achtundsechzigern an.

In seinem ersten politischen Prozess vertritt Schily die Nebenklage im Kurras-Prozess, in dem der Tod von Benno Ohnesorg verhandelt wird. 1968 verteidigt er Gudrun Ensslin im Kaufhausbrandstifterprozess.

Bekannt wird Schily 1970 im Verfahren gegen seinen Kollegen Horst Mahler, in dem es um die Krawalle gegen den Springer-Verlag geht. Schily befragt Axel Cäsar Springer als Zeugen. Der sagt danach über den Anwalt: „Schade, dass der Mann auf der anderen Seite steht.“

1972 wird Schily als Verteidiger vom Ensslin-Prozess ausgeschlossen. Er soll ein Kassiber seiner Mandantin zu Ulrike Meinhof geschmuggelt haben. Der Verdacht erhärtet sich nicht. Doch erst 1978 stellt die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen ein.

Berühmt wird Schily im Stammheimer RAF-Prozess. Er ist der einzige Verteidiger, der das Verfahren bis zum Ende durchsteht. Schily wird zum „typbildenden Strafverteidiger“ in Deutschland (Spiegel).

Nach dem Tod Ensslins zieht sich Schily aus den Terrorprozessen zurück. 1980 ist er an der grünen Parteigründung beteiligt. 1983 zieht er in den Bundestag ein. Schily votiert schon 1983 für Rot-Grün – mit der grünen Basis steht er meist auf Kriegsfuß. Bei Bundesdelegiertenkonferenzen gehört er notorisch zu den Verlierern.

Im Oktober 1989 verlässt Schily die Grünen – und tritt in die SPD ein. Doch auch dort spielt er schnell die gleiche Rolle wie bei den Grünen: die des Einzelgängers.

Doch die Wertschätzung wächst. 1994 wird er von Rudolf Scharping zum stellvertretenen Fraktionsvorsitzenden gemacht. Und er handelt für die SPD den Kompromiss zum großen Lauschangriff aus – bei der SPD-Linken gilt er seitdem als Renegat.

1998 wird Schily mit dem Regierungswechsel Innenminister. In dieser Funktion ist er unentbehrlich: Er macht Rot-Grün für Law-&-Order-Attacken Rechter unangreifbar. SR