: Handball-Boom sorgt für Weltrekord
Der TBV Lemgo stellt am Sonntag einen neuen Zuschauerweltrekord im Hallenhandball auf. Sportlich könnte das Event für leichte Irritationen sorgen. Der Handballverband steckt trotz des Booms in finanziellen Schwierigkeiten
LEMGO taz ■ Zwei Wochen nach der verpassten olympischen Goldmedaille arbeitet der deutsche Hallenhandball weiter an seiner wachsenden Popularität. Zum Start der neuen Bundesligasaison trifft der TBV Lemgo auf den THW Kiel. Am Sonntag in der Arena AufSchalke. 30.000 Karten wurden bereits verkauft. Ein neuer Weltrekord in Sachen Hallenhandball. Den alten Rekord hielt der VfL Gummersbach. Knapp über 19.000 in der Köln-Arena. Kann der Sport soviel Gigantomanie verkraften?
„Wir befinden uns im Grenzbereich“, sagt Lemgos Manager Fynn Holpert, „das Event ist zwar eine Riesensache, aber natürlich wollen wir vor allem gewinnen.“ Das Team muss sich vor allem erst einmal an die Atmosphäre gewöhnen. In die heimische Lipperland-Halle passen gerade einmal 3.700 Zuschauer, dicht gedrängt, gestapelt, in Greifweite zum Spielfeld – wenn es eng wird der entscheidende Vorteil. In der Arena müssen die Spieler damit rechnen, dass der überwiegende Teil der Zuschauer aus neutralen Handballtouristen bestehen wird. Heimvorteil hört sich anders an. „Wir hoffen auf den Effekt dieses besonderen Spiels, die Kieler müssen sich daran auch erst einmal gewöhnen“, glaubt Holpert. Ein erfolgreicher Start sei wichtig, da es am Dienstag darauf gleich zum wieder erstarkten VfL Gummersbach geht.
Für den Erfolg sorgen soll der Stamm der deutschen Nationalmannschaft. Mit Torhüter Christian Ramota, Daniel Stephan, Markus Baur, Volker Zerbe, Florian Kehrmann und Christian Schwarzer waren immerhin sechs Lemgoer maßgeblich am Gewinn der Silbermedaille beteiligt. „Wir hoffen natürlich, dass die Spieler den Schwung mitnehmen können“, sagt Holpert. Das Problem: Die Spieler bestritten bei Olympia acht Spiele in 14 Tagen und hatten nur zwei Wochen zur Erholung. „Nach der EM war die Zeit noch kürzer“, sagt Holpert. In den letztjährigen Meisterschaftskampf konnte der TBV Lemgo allerdings nach der EM-Pause nicht mehr eingreifen. Zu ausgepowert waren die Spieler.
Inwieweit die gesamte Liga vom scheinbaren Handball-Boom profitieren wird ist dabei noch unklar. Der Deutsche Handball-Bund (DHB) soll laut Medienberichten in größeren finanziellen Schwierigkeiten stecken. Sogar von einer Insolvenz zum Jahresende war die Rede. Verbindlichkeiten in Höhe von einer knappen halben Millionen Euro hätten sich angesammelt und könnten angeblich nicht beglichen werden. Banken drohten mit der Kündigung ihrer Kredite. „Ich glaube, wenn es uns gelingt, die Ausgaben weiter zu reduzieren und die Einnahmen zu erhöhen, dann kommt die Sache ins Reine“, sagte DHB-Vizepräsident Horst Bredemeier.
Die Clubs scheint dies nicht zu stören. Der VfL Gummersbach (von 3,5 auf 3,9 Millionen Euro) oder Aufsteiger HSG Düsseldorf (650.000 auf 1,1 Millionen Euro) erhöhten ihren Etat. Die anderen beiden Westvereine TuSEM Essen und TuS Nettelstedt-Lübbecke blieben konstant. „Insgesamt sind die Unterschiede auf hohem Niveau geringer geworden“, sagt Fynn Holpert, „oft entscheidet nur noch die Tagesform.“ So wohl auch am Sonntag.
HOLGER PAULER