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Archiv-Artikel

Von der Uni zur GmbH

Ein Münchner Professor erfindet ein neues Mikroskop und schreibt damit Technik-Geschichte

VON KATHRIN BURGER

Das Deutsche Museum in München erhält ein neues Ausstellungsstück. Über hundert Jahre hat man Lichtmikroskope immer nach dem gleichen Schema gebaut. Doch mit der rasanten Entwicklung der Lebendwissenschaften konnte das gute, alte Mikroskop nicht mehr mithalten. Darum baute der Münchner Professor Rainer Uhl mit seiner Firma Till Photonics das iMic.

Ein „Plattform-Konzept“, wie Uhl es nennt. Es ist vollständig automatisierbar und kann mehr als 100.000 Zellkulturen täglich auswerten. Im Deutschen Museum bekommt es nun einen Platz, da es die nächste Evolutionsstufe des Lichtmikroskops darstellt.

Klassische Mikroskope bestehen aus den optischen Bauteilen Okular, Objektiv und Kondensor. Vom Fuß des Mikroskops wandert das Licht den Kondensor und durchleuchtet das Präparat. Objektiv und Okular erzeugen zusammen mit der Augenlinse ein vergrößertes Bild des Präparates auf der Netzhaut des Betrachters. Im iMic ersetzt jedoch eine digitale Kamera das Auge. Die Bilder werden durch Abtasten des Präparats mit einem Laserstrahl erzeugt und per Computer berechnet. Später flimmern sie dreidimensional auf einem Bildschirm. Das neue Mikroskop ist so empfindlich, dass es einzelne Moleküle entdecken und räumlich zuordnen kann.

„Besonders die Gehirnforschung wird vom iMic profitieren“, glaubt Uhl. „Weil man damit das Geschehen in lebenden Nervenzellen sichtbar machen kann.“ Er hofft, dass seine Erfindung hilft, Wachsen, Vergehen, Gedächtnis und Intelligenz besser zu verstehen. Aber auch um Krankheiten aufdecken und therapieren zu können oder um neue medizinische Wirkstoffe zu finden. „Es wird bereits bei einer großen Pharma-Screening-Firma eingesetzt, mit einer Reihe anderer Firmen wird verhandelt. Ein Prototyp steht an einer tschechischen Uni“, berichtet Uhl.

Die bayerische Regierung honorierte seine Erfindung dieses Jahr im Rahmen des Innovationspreises. Ein Preis, der alle zwei Jahre für herausragende praxisorientierte Leistungen, die die bayerische Wettbewerbsfähigkeit stimulieren, verliehen wird. Die Begründung der Jury: Das iMic hat einem bekannten wissenschaftlichen Gerät ein völlig neues Gesicht gegeben.

Dass der Name iMic an ein Apple-Produkt erinnert, ist kein Zufall. Zum einen stehe das „i“ für die IT-Welt, so Uhl. Und das iMic verbinde Mikroskopie und Computer-Know-how. Zum anderen habe Apple vorgemacht, dass man Trends setzen kann, indem man auf Gewohntes verzichtet und alle Funktionen in ein Gerät integriert. „Dass USB-Sticks die Diskettenlaufwerke völlig verdrängt haben, ist beispielsweise das Verdienst von Apple“, so Uhl. Auch das iMic soll neue Standards setzen. Beide seien zudem kompakt und hätten ein ansprechendes Design.

Die Erfolgsgeschichte von Rainer Uhl begann bereits 1990. Damals bastelte der umtriebige Chemiker im Keller seines Hauses. Seine „Ich-AG“ hieß „Dr. Rainer Uhl Technologietransfer“. Kurz danach erhielt er eine Stiftungsprofessur und wechselte ans Max Planck für Biochemie. 1993 folgte er dann einem Ruf an die Ludwigs-Maximilians-Universität München, wo er bis heute eine Professur für Physikalische Chemie innehat. Im gleichen Jahr machte er aus seiner „Garagenfirma“ eine GmbH und überließ die Geschäftsleitung jemand anderem, um keinen Ärger mit der Uni-Verwaltung zu riskieren.

Mittlerweile wird seiner Firma Till Photonics auf internationalen Kongressen zur Mikroskopie ebenso viel Redezeit eingeräumt wie den Großen des Marktes Zeiss, Olympus, Leica und Nikon. Auch das ist ein Zeichen seines Erfolges. Zwischenzeitlich musste Till Photonics jedoch auch Rückschläge überstehen: 2001 verabschiedeten sich der Geschäftsführer, der Entwicklungsleiter sowie sieben Mitarbeiter und gründeten ein Konkurrenzunternehmen.

Wenig später platzte die New-Economy-Seifenblase. Auch das hat Till Photonics ohne Schaden überlebt. Und wie? Firmengründer Uhl hatte Till-Photonics in den 90ern eine akademische Schwester geschenkt, namens Bioimaging-Zentrum (BIZ). Diese eigenständige Enklave innerhalb der Uni ermöglicht es ihm, Grundlagenforschung mit finanziell lukrativen Erfindungen zu koppeln. Zudem habe die Firma nie auf Börsenkapital gesetzt. Sie ist bis heute eine GmbH.