schmickler macht ernst
: Bei Nacht und Nebel

WILFRIED SCHMICKLER: Der Mann mit der Axt holzt für die taz

Zwei Wochen noch bis zur Kommunalwahl und eigentlich müsste sie langsam beginnen, die heiße Phase des zähen Ringens um jede einzelne Wählerstimme. Was war das früher ein Spektakel! Da standen an jeder Straßenecke hoch motivierte und von missionarischem Eifer beseelte Parteivolksangehörige, schleuderten Kugelschreiber und Ratzefummel tonnenweise unter die Leute und agitierten die potentiellen Wähler in Grund und Boden. Da wurde die Milch in der Tüte sauer, weil die 500 Meter vom Stüssgen zum heimischen Kühlschrank für den gewöhnlichen Passanten ähnlich strapaziös waren wie der Alpaufstieg für den Tour-de-France-Fahrer.

Und heute? Seit die Auseinandersetzung um Hartz IV Politikverdruss und Parteienfrust zum vorherrschenden Lebensgefühl befördert hat, seit dem trauen sich die Mitglieder der parteipolitischen Kaste kaum noch auf die Straße. Wenn doch, dann scharen sie sich ängstlich unter zusammengeklappten Sonnenschirmen, damit sie ja keiner sieht oder gar anspricht. Dieselben, die früher stolz und selbstbewusst in den Einkaufsstraßen ihre frohen Botschaften verkündeten, scheuen das Tageslicht und schleichen bei Nacht und Nebel durch die Stadt und nageln ihre Plakate an wehrlose Bäume.

Und was für lausige Dinger! Von wegen knallharte Agitation und eisenharte Politpropaganda. Irgendwie hat man sich in allen Parteizentralen auf die gemeinsame pflaumenweiche Botschaft geeinigt: Schaut her, wir sind‘s nur, die netten Menschen von nebenan. Harmlos, liebenswert, sogar ein bisschen humorvoll. Mein absolutes Lieblingsduo in sind Otti und Börschi, die beiden lustigen Lausejungen aus dem SPD-Kindergarten. Allerliebst die zwei. Und dann dieses schnuckelige Motto: „Mit Hätz un Verstand“. Wobei sie sich den Un-Verstand durchaus hätten sparen können, denn die Hauptsache is doch, et Hätz is jot!

Was mir gut gefällt, sind die Plakate der Freundinnen und Freunde von den Grünen. „Fette Wirtschaft statt Vetternwirtschaft“ – sagenhaft! Oder dieses Motiv, wo die blonde Tussi – Marke: schöne Consulterin – dem Betrachter ihre Quanten entgegenstreckt: „Grün sorgt für Absätze“! Klasse! Wir werden‘s Euch besohlen. Auf Schusters Rappen wird‘s schon klappen!

Die Einzigen, die in diesem harmonischen Gesamtbild unangenehm auffallen, sind die fettigen Liberalen. Schleimen sich einerseits unerträglich penetrant an die schwul-lesbische Community (natürlich nur in den entsprechenden Stadtteilen) und lassen andererseits voll die rechts-populistische Sau raus. „Null Tempo! Null Sauberkeit! Null Sicherheit!“ Über 4.000 Mal haben diese Schmarotzer am ultrarechten Rand ihre Gülle in der Stadt plakatiert. „Pro Köln“ in blau-gelb! Widerlich! Obwohl, ein Gutes hat das Outing der so genannten Liberalen: Ich weiß zwar noch nicht, was ich wähle, ich weiß aber genau, was nicht!