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Archiv-Artikel

Mit dem Blick auf die Ränder der Städte

Francesca Ferguson ist die diesjährige Kuratorin des deutschen Beitrags auf der Architektur-Biennale in Venedig

Die „Mostra internazionale di Archittura“ in Venedig steht schon seit Jahren in dem zweifelhaften Ruf, überhaupt keine Architektur-Ausstellung zu sein. Zu sehr sind ihre wechselnden Direktoren damit beschäftigt, Utopien anstelle realistischer Konzepte ihren freien Lauf zu lassen. In den vergangenen Jahren etwa sah man mehr fliegende Untertassen statt gebaute Häuser in den Länderpavillons auf dem traditionsreichen Ausstellungsgelände. Und der Titel „Metamorphosen“ der 9. Architektur-Biennale 2004 vom 12. 9. bis 7. 11. lässt gleichfalls nichts Gutes ahnen.

Francesca Ferguson, die Kuratorin des deutschen Beitrags, scheint auf den ersten Blick genau diesen Geschmack zu treffen. Gilt doch die 37 Jahre alte Journalistin und Ausstellungsmacherin eher als Theoretikerin kunstvoller Raumkonzepte denn als Pragmatikerin des Bauens. In ihren ersten Reden nach ihrer Berufung durch Verkehrs- und Bauminister Manfred Stolpe sagte sie noch, dass sie den besonderen Esprit der venezianischen „Mostra“ weiter bewahren werde. Auch bei der vagen Vorstellung ihres Beitrags „Deutschlandschaft“ schwang dieser besondere Geist mindestens so gut mit wie bei den Bildern ihrer beiden Vorgänger: den Kuratoren Hilde Léon (2002) oder Thomas Herzog (2000).

Das aber war ein Trugschluss. Denn spätestens seit dem Aufbau der „Deutschlandschaft“ – eine über 80 Meter lange Fotocollage zersiedelter Peripherie, deren geschundene Räume gebaute Architekturen zu heilen versuchen – wird klar, dass die in Berlin lebende Britin noch anderes am Hut hat: „Architektur ist nicht nur Skulptur. Nach den konzeptionellen Höhenflügen muss man wieder auf den Boden finden. Unsere Installation zwingt zur Beschäftigung mit dem Konkreten, dem Sozialen und zur Auseinandersetzung mit den Stadträndern.“

War genau das dem Bauministerium wichtig für die Auswahl der Person und deren Konzept in Venedig? Mit Sicherheit, brennt doch das Thema hybrider Stadtstrukturen, deren Probleme und Veränderungen heute vielen Planern in Deutschland und selbst dem Bauministerium auf den Nägeln.

Francesca Ferguson hat deutlich gemacht, dass sie auf diese Fragen „konkrete und griffige“ Antworten geben will. Als Nichtarchitektin, eine Premiere in Venedig, wird sie den Beweis umso mehr antreten müssen. Aber die in Oxford ausgebildete Historikerin, die 1989 nach Berlin kam und als Kuratorin, Galeristin und Koproduzentin für Kunstausstellungen arbeitete, hat Erfahrungen mit der klaren Inszenierung von aktuellen Veränderungen bei Stadtlandschaften und deren sozialen und räumlichen „Problemzonen“. Ferguson veranstaltete das seit 2000 in Berlin tagende Kunst- und Architekturfestival „urban drift“, das sich besonders den Identitätskrisen der Stadt, deren „Schrumpfung“ und dem „Dirty Realism“ in der Architektur widmet. Dort liegt die Basis ihres theoretischen Pragmatismus.

ROLF LAUTENSCHLÄGER