: Der eloquente erste Mann von Kiel
Bisher Sprecher im Bundesfinanzministerium: Torsten Albig (45) verlässt das Raumschiff Berlin und wird Oberbürgermeister der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel FOTO: MARCO URBAN
Wahnsinn! Wahl gewonnen. Was für ein Gefühl. Geiler Tag. Schlaft alle gut!“ So verabschiedete sich Torsten Albig in der Nacht zu gestern per Twitter-Mitteilung in die Nachtruhe – kurz wird sie gewesen sein. Der 45-Jährige ist neuer Oberbürgermeister von Kiel. Mit überraschend deutlichen 52 Prozent degradierte der SPD-Mann die Amtsinhaberin und Favoritin Angelika Volquartz (CDU). Für den gebürtigen Bremer, der in Schleswig-Holstein und Bielefeld aufwuchs, bedeutet das eine Rückkehr – Albig, zurzeit Sprecher des Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD), war zwischen 2002 und 2006 Kämmerer in Kiel.
Da hatte der Jurist und Steuerfachmann bereits eine steile Karriere hinter sich: Er arbeitete anfangs in Schleswig-Holstein in der Steuerverwaltung, plante dann in der SPD-Zentrale mit an der rot-grünen Steuerreform und war bereits 1998 Sprecher des Bundesfinanzministeriums – da war er 35 und sein Chef hieß Oskar Lafontaine. Als der die Brocken hinwarf, übernahm Hans Eichel. Albig verließ 2001 das Ministerium und wurde Konzernsprecher der Dresdner Bank in Frankfurt. Dort sei es sogar im Vergleich zum „Raumschiff Berlin“ wie auf einer Mondstation gewesen, verriet Albig.
Nun kehrt er zurück in die Provinz. Ganz weg aus Kiel war Albig nie, seine Familie – Frau und zwei Kinder – sind an der Förde geblieben. Vor allem aber reize ihn, sagt er, „reale Politik“ zu machen, im Gegensatz zur virtuellen Politik unter der Berliner Glasglocke: „Die Mischfunktion zwischen Politik und Verwaltung, das ist spannend, das kann ich“, sagt Albig.
Albig könne aufgrund seiner großen Eloquenz bisweilen „einschüchternd und abweisend“ wirken, heißt es, einen „Schattenmann“ nennt ihn das Hamburger Abendblatt – einen Macher im Hintergrund. Nun steht der Schattenmann selbst im Rampenlicht. Im Wahlkampf trat Albig zurückhaltend auf, selten griff er seine Gegnerin scharf an. „Ich bewerbe mich als Bürgermeister, der Wahlkampf muss dazu passen“, sagte er der taz.
Seine ersten Aufgaben stehen schon fest: Mit den Angestellten im Rathaus will er sprechen, einen neuen Führungsstil etablieren. Einsetzen will er sich für eine bessere Ausstattung von Schulen und Kindergärten, außerdem für ein „Sozialticket“, das auch für Museen oder Schwimmbäder gilt.
Der Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt spielt automatisch eine wichtige Rolle in der Landespolitik – eine Bewerbung für höhere Ämter? Albig gibt die Politikerantwort, dass die aktuelle Aufgabe im Vordergrund steht. Und fügt hinzu, dass die Verschiebung von realer zu virtueller Politik bereits auf der Landesebene beginnt.
ESTHER GEISSLINGER