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Archiv-Artikel

Städtepartnerschaft für Wohnen und Obdach

1.000 Menschen demonstrieren für Bauwagenplätze und Berliner Wohnprojekt „Yorck 59“ in der Hamburger City. Prophezeite Randale blieben aus

Enttäuschung bei den Boulevardmedien, da es keinen Krawall gegeben hat. Frustration bei vielen PolizistInnen, die trotz Überstundenberg dauernd zu martialischen Einsätzen beordert werden. „Das wäre doch eine Sache für zwei Streifenwagen gewesen,“ klingt es aus den Reihen einer Alarmhundertschaft. Hingegen Genugtuung bei den Veranstaltern der Protestdemo gegen die Räumung des Bauwagenplatzes Wendebecken, als der Zug ohne Zwischenfälle den nahen City-Bereich verlässt. „Nach zwei Jahren Demo-Verbot hat sich gezeigt, dass der Hamburger Senat diese Linie nicht mehr durchhalten kann.“ Rund 1.000 Menschen sind trotz prasselnden Platzregens – nach einer weiteren Protestaktion – durch die Innenstadt gezogen und haben für eine Legalisierung des Wohnens in rollenden Unterkünften protestiert. Die Parole: „Deutschland verrecke, für das Wendebecken.“

Es war sozusagen ein Novum: Aus zwei Städten gingen Menschen am Samstag gemeinsam zu zwei unterschiedlichen Themenbereichen auf die Straße, aber unter einem gemeinsamen Nenner: Wohnen und Obdach.

Die BewohnerInnen des Berliner Wohnprojekts Yorckstraße 59 hatten ihren Protest lange vorbereitet. 100 BerlinerInnen sind dann auch von der Spree an die Elbe gekommen, um dem neuen Eigentümer Marc W. in der Martin-Luther-Straße einen Besuch abzustatten. Er hat das Haus „Yorck 59“ , in dem sich seit 15 Jahren das Wohnprojekt mit 60 Menschen – darunter zehn Kindern und politischen Initiativen befindet – wegen Insolvenz des Voreigentümers gekauft. Kurzerhand versucht er die Miete profitorientiert um 50 Prozent anzuheben. Gleichzeitig verlangt er, dass seine Mieter jede Form politischer oder sozialer Äußerungen unterlassen. Ein Sprecher: „Das finden wir scheiße, dann hätte der Yuppie unser Haus nicht kaufen dürfen.“

In die Planung dieser Demo platzte die Räumung des Bauwagenplatzes Wendebecken. 1.400 PolizistInnen hatten – wie berichtet – am Mittwoch den Platz gestürmt und nach fünf Jahren geräumt. Seither sitzen die Bewohner, deren rollende Unterkünfte zum Teil beschlagnahmt worden sind, auf der Straße. Eine Vollversammlung verschiedener Initiativen hatten daher am Donnerstag in der Roten Flora beschlossen, den Samstag für einen öffentlichen Protest zu nutzen. So verständigte man sich mit dem Berliner Hausprojekt, den Protest zwar nicht direkt zusammenzulegen, dennoch gemeinsam zu agieren. Was die Bild dazu nutzte, eine Kampagne gegen die Berliner „Krawall-Touristen“ zu starten.

Angeführt von Bambule-Wohntrucks marschierten nach der „Yorck 59“-Demo 1.000 Menschen vom Hachmannplatz über den Ballindamm und Jungfernstieg durch die City. Die Bambulisten aus dem Karo-Viertel sind im November 2002 geräumt worden und kämpfen noch immer – wie jetzt das Wendebecken – um einen neuen Platz.

Daran wird zurzeit hinter den Kulissen gearbeitet. Denn bis zur Räumung, zu der der Bezirk Nord vom Senat gezwungen worden ist, gab es einen Investor, der bereit gewesen wäre, den Leuten einen Platz zur Verfügung zu stellen. Dass dies nach dem Bauwagengesetz nicht möglich sei, bestreitet der SPD-Bezirkspolitiker Peter Tschentscher energisch. „Genau dafür ist das Bauwagengesetz vorgesehen“, sagt der Bezirk-Nord-Abgeordnete. „Es ist unglaublich, wie mit den jungen Leuten umgegangen wird“, wetterte er in der Bezirksversammlung. „Das war die liebste Bauwagengruppe in ganz Deutschland.“ KAI VON APPEN