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Archiv-Artikel

Per Blutgrätsche auf den Präsi-Sessel

Um die Führung des Berliner Fußball-Verbandes ist eine Schlacht entbrannt. Die WM 2006 wertet den Posten auf

Die Welt des Berliner Fußball- Verbandes (BFV) wirkt hell und aufgeräumt wie seine Geschäftsstelle in einer feinen Grunewald-Villa. Ein Insider berichtet jedoch von einer schmutzigen Fehde um Posten und Ämter, die hinter der weiß getünchten Fassade der BFV-Heimat in der Humboldtstraße tobe: „Da ist eine wahre Schlammschlacht im Gange. Der BFV versinkt im Filz.“

Es herrscht Wahlkampf im Amateurfußball: Präsident Otto Höhne tritt am 18. September nach 14 Jahren im Amt zurück. Mit 78 Jahren will der pensionierte Gymnasialdirektor, der sich Verdienste um Ausländer-Integration und Ost-West-Vereinigung erworben hat, den Weg frei machen für einen Jüngeren.

Leider hat es Höhne versäumt, einen geeigneten Nachfolger aufzubauen. Lange Zeit schien es, als sei der Posten nicht übermäßig begehrt. „Mal sehen, wer das machen will“, stöhnte Höhne. BFV-Boss, das bedeutet auch, sonntags der 3. Mannschaft von Spartak Oberquetschenhembach einen Frühschoppen auszugeben – und das für ein kärgliches Tagessalär aus der Verbandskasse.

Doch die Wahl Berlins zum Austragungsort des WM-Finales 2006 hat den Posten enorm auf gewertet. Der Landeschef erscheint plötzlich im Lichte eines Statthalters im Konzert der Global Player. Umso heftiger sind die Diadochen-Kämpfe vor dem Verbandstag am kommenden Sonnabend in einem evangelisch-freikirchlichen Gemeindezentrum in Schöneberg entbrannt.

Da wäre zum Beispiel Höhnes Stellvertreter Helmut Salisch. Er sieht sich als natürlicher Nachrücker. „Ich rechne mir als langjähriger Vizepräsident gute Chancen aus.“ Sechs Jahre im Vorstand, weitere fünf als Vizepräsident – dieser „Stallgeruch“ ließ ihn in der Rangliste der Kandidaten an Heiner Bertram (vereinslos) und Detlef Wilde, Clubchef von Tasmania Gropiusstadt, vorbeiziehen.

Doch kaum hatte der BFV-Vorstand Salisch mit knapper Mehrheit nominiert, rumorte es auf der Gegengeraden: Bernd Schultz, Schatzmeister des Verbandes und mit Salisch über Kreuz, meldete ebenfalls seine Anwartschaft an – ein Affront gegen den Vorstandsbeschluss. In letzter Sekunde warf ein weiterer „Externer“ seinen Hut in den Ring: Bernd Fiedler, Vereinsvorsitzender von Stern 1900 aus Steglitz, gilt mittlerweile als Geheimfavorit. Das ahnt wohl auch Salisch, der wettert: „Das ist eine unfeine Sache, dass er sich jetzt erst gemeldet hat.“ Steuerberater Fiedler, der den Verband in Finanzfragen berät, hat als einstiger Vorstopper („Ich bin ein Fighter“) gelernt, wie man austeilt. „Ein 65-Jähriger kann nicht für den angestrebten Generationswechsel nach Höhne stehen“, wettert der Steuerberater gegen den 17 Jahren älteren Salisch. Fiedler gilt als Macher, der kritische Geister zu integrieren weiß. BFV-Kämmerer Schultz soll zu seinem Schattenkabinett gehören.

Der Stern-Chef macht überhaupt kein Hehl daraus, dass er eine Palastrevolution im Grunewald anzetteln möchte: Die Funktionäre sollten wieder Dienstleister der Vereine werden, der BFV müsse moderne Strukturen er halten, um fit zu sein für eine Fusion mit Brandenburg und die WM 2006. Mit der regierenden BFV-Kaste geht Fiedler hart ins Gericht: „Hier hat jeder eine Krone auf und dackelt nur rum – dabei muss er nur seine Arbeit machen!“

Der Konter von Gegenkandidat Salisch lässt nicht lange auf sich warten. „Sicherlich ist das richtig – wenn er es auf sich bezieht. Fiedler hat ja nichts ge macht“, zischt der BFV-Favorit und droht dem Opponenten: „Wer Krach provoziert, bekommt Krach.“ Salischs Alternativkonzept im Falle seiner Wahl: „Der BFV ist gut geführt worden. Alle Dinge, die von Fiedler vorgeschlagen wurden, gibt’s schon lange.“

Offensichtlich abgestoßen von den verbalen Blutgrätschen, hat der frühere Präsident des 1. FC Union, Heiner Bertram, seine Kandidatur inzwischen zurückgezogen. „Das Niveau ist relativ niedrig“, erklärte der Außenseiter. JÜRGEN SCHULZ