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Archiv-Artikel

Dämliche Fragen

Nach dem 2:0 gegen den HSV führt der VfB Stuttgart die Tabelle an, aber Trainer Sammer wäre lieber Zweiter

STUTTGART taz ■ Matthias Sammer hatte seine Spieler eindringlich vor dem Hamburger Sportverein gewarnt, und er hatte prominente Unterstützung. So lautete der Ergebnistipp für die Partie, nachzulesen in der größten deutschen Sportzeitschrift, 2:0 für die Mannschaft von der Elbe. Doch der VfB Stuttgart lässt sich derzeit weder von seinem Trainer Matthias Sammer noch von Sportmagazinen und schon gar nicht von den glück- und harmlos agierenden Hamburgern Bange machen. Zwar spielten die Schwaben nicht so druckvoll nach vorne wie in den bisherigen drei Spielen, aber dafür half das Glück des Tüchtigen. Der 2:0-Sieg war aufgrund der klareren Torchancen verdient, auch wenn nach dem Führungstreffer von Silvio Meißner, der unter Sammer derzeit zu Topform aufläuft, das zweite Schwabentor erst in der Nachspielzeit fiel. Als der HSV alles nach vorne warf, um doch noch den Ausgleich zu erzielen, sorgte Imre Szabics nach einem schnell vorgetragenen Konter und uneigennützigen Zuspiel von Kevin Kuranyi für die endgültige Entscheidung. „Wir sind eine Mannschaft und gewinnen zusammen. Imre war alleine und da muss ich natürlich abspielen. Aber ich denke, dass eine Vorlage genauso viel wert ist wie ein Tor“, so der Passgeber, der diesmal toremäßig leer ausging.

„Wir haben gut begonnen, aber wenn man schlecht von Abwehr auf Angriff umschaltet, ist man im Mittelfeld eben in Unterzahl. Dadurch sind wir unter Druck geraten. Hamburg hatte heute aber auch nicht die großen Chancen und wir haben zum Glück zu Null gespielt“, resümierte Sammer. Eine Nachlässigkeit, die der Coach der Schwaben seinen Mannen künftig auf keinen Fall durchgehen lassen will. „Wir müssen uns auf jeden Fall steigern, wenn wir weiterhin an der Spitze mitspielen wollen“, fordert Sammer. „Wenn man die Drecksarbeit im Mittelfeld nicht verrichtet, gerät man so unter Druck wie wir in der zweiten Halbzeit.“

Tabellenführung und trotzdem mit der Mannschaftsleistung unzufrieden, das ist ein Luxusproblem, das Klaus Toppmöller mit seinem HSV gerne hätte. „Mir ist vor Wut eher zum Heulen zumute, weil wir unsere Chancen hatten“, so der Gästetrainer. Das sah auch die HSV-Führungsetage so, weshalb sie sich wohl mit Kritik am Trainer, trotz der dritten Niederlage im vierten Spiel und einem enttäuschenden vierzehnten Tabellenplatz, zurückhielt. „Wir müssen den Hebel jetzt umlegen und ein Spiel auch mal nach Hause fahren“, fordert HSV-Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer eine Reaktion der Mannschaft am nächsten Wochenende bei Toppmöllers Exverein Kaiserslautern.

Nach nur vier Partien steht der VfB Stuttgart mit Trainer Matthias Sammer dort, wo sein Vorgänger Felix Magath mit seinem neuen Verein Bayern gerne stehen würde, nämlich ganz oben in der Tabelle. Trotzdem will der mit seinem Nachfolger bei den Schwaben nicht tauschen. „Ich schaue nicht neidisch nach vier Spieltagen auf die Tabelle. Wo man am Ende der Saison steht, das ist entscheidend; außerdem fühle mich da, wo ich jetzt bin, sauwohl“, lässt Magath aus München ausrichten.

Die Top-Position der Schwaben ist zwar bisher nur eine Momentaufnahme, doch die Bilanz, die die neuen Macher um Matthias Sammer vorzuweisen haben, kann sich sehen lassen. Platz eins in der Tabelle, mit Cacau und Kevin Kuranyi zwei VfB-Spieler auf den vordersten Plätzen in der Torjägerstatistik, im DFB-Pokal ist der Verein eine Runde weiter, und auch im Uefa-Cup wartet am Donnerstag mit Ujpest Budapest eine durchaus lösbare Aufgabe.

Und während sich sein Vorgänger Magath mit dem vom FC Hollywood zum FC Haargel mutierten Münchner Starensemble auseinander setzt, scheint Sammer in Stuttgart richtig glücklich zu werden. Ob er sich allerdings zukünftig Felix Sammer nennen wird, ist bisher nicht bekannt. Sicher ist hingegen, dass Sammer derzeit noch nicht gerne Tabellenerster ist. „Wenn wir Zweiter sind, dann interessiert sich für uns kein Mensch. Jetzt bekommen wir von allen dämliche Fragen gestellt.“ Und dämliche Fragen kann der VfB-Trainer überhaupt nicht leiden, selbst wenn sie der Preis des Erfolgs sind.PETER-MICHAEL PETSCH