Tagträume eines überhitzten Regisseurs

Im Film „Stratosphere Girl“ verschlägt es eine deutsche Comic-Zeichnerin als Hostess in die japanische Halbwelt

Träumen Androiden von elektrischen Schafen? Kann sein. Aber träumen 18-jährige deutsche Vorstadtmädchen davon, sich von mittelalten japanischen Geschäftsleuten für Geld anbaggern zu lassen? Wohl kaum. Hinter einem solchen Filmplot scheinen wohl eher die Fantasien des Regisseurs und Drehbuchautors durch.

In seinem dritten Film lässt Matthias X. Oberg („Unter der Milchstraße“) Träume und Realität der 18-jährigen Comic-Zeichnerin Angela zu einer Art Erotikthriller irgendwo zwischen „Blue Velvet“ und „Lost in Translation“ verschwimmen. Die Story beginnt im deutschen Alltag: Auf ihrer Abi-Abschlussfeier verknallt sich Angela in den japanischen DJ Yamamoto. Ihr Fernweh bekommt ein Ziel: Yamamoto gibt ihr die Nummer einer entfernten Bekannten in Tokio, die dort als Hostess arbeitet. Angela zögert nicht lange. In Tokio bekommt sie einen Job als Animierdame in einem Club und taucht schnell in die Halbwelt der Stadt ein. Hinter den Kulissen des Clubs kommt es zu „Showgirls“-artigen Intrigen zwischen den Mädchen. Außerdem scheint Angela dem Mord an einer ihrer Vorgängerinnen auf der Spur. Oder denkt sie sich diese Geschichten nur aus, als Heldin ihres eignen Comics?

Tokio steht in „Stratosphere Girl“ wie meist im westlichen Film als Chiffre für eine Hypermoderne, die gleichzeitig befremdet und anzieht. Kameramann Michael Mieke gelingt es diese Stimmung wunderbar einzufangen. Überzeugend ist auch das in Brüssel entdeckte Model Chloé Winkel in der Hauptrolle, die mit ihrer maskenhaften Mimik selber wie eine Figur aus einem japanischen Anime wirkt. Aber vielleicht hätte der Regisseur einfach direkt einen Film über seine sexuellen Obsessionen und Japanfantasien drehen sollen, statt sich hinter den Tagträumen eines Mädchens zu verstecken.

„Lost in Translation“, der gleichzeitig in Tokio gedreht wurde, beginnt mit einem Blick auf den spärlich bekleideten Po der im Hotelbett liegenden Scarlett Johansson. Schon diese erste Einstellung verströmt das sanfte Ennui, das als Stimmung den ganzen Film durchzieht. Wenn dagegen während des Abspanns von „Stratosphere Girl“ Chloé Winkel gewissermaßen als Zugabe in Unterwäsche auf ihrem Bett herumhüpft, wirkt das eher wie Exploitation im Kunstkinogewand. SVEN VON REDEN

„Stratosphere Girl“. Regie: Matthias X. Oberg. Mit Chloé Winkel, Rebecca Palmer u. a., Deutschland 2003, 85 Min.