: Hit me with your Klapperstock
In Oberstdorf fand der erste Nordic-Walking-Kongress statt. Ein Wahrheit-Exklusivbericht
Petrus hatte ein Einsehen und ließ es wie aus Sturzbächen vom Allgäuer Himmel schütten. Deshalb fand der weltweit erste „International Walking Stick Kongress“ am Wochenende in der Oberstdorfer Oybele-Halle statt. Die Teilnehmerliste verzeichnete mehr als 1.300 übergewichtige ältere Damen aus allen Teilen der Welt, und alle kamen sie mit einem Paar Metallstöcken angeklappert.
Neben der unverhohlenen Freude darüber, dass unter der Tarnbezeichnung „Nordic Walking“ nun eine weitere fiese Variante des Freizeit- und Krachbelästigungswahnsinns installiert werden konnte, standen allerlei Fachreferate im Mittelpunkt der durchweg würdelosen Veranstaltung.
Zunächst wies die Referentin Hedwig Kübler (72 Jahre, 83 kg) auf die historische Entwicklung des populären Breitensports hin. So habe der liebe Gott die Erde, die Täler, Auen und Berge geschaffen, welche sich der zumeist männliche Mensch in jahrtausendelanger zäher und stiller Arbeit untertan gemacht habe. Nur ab und an jaulte mal ein Rasenmäher oder ein Gartenhäcksler, fauchte ein Gerät zum Abflammen des Unkrauts zwischen den Garagenauffahrtsplatten – die freie, unbebaute Natur indes war bislang vor solchen Geräten und erst recht vor Krach schlagenden Frauen sicher.
Durch die zweckferne Verwendung des Skistocks beim Herumlatschen sei jedoch die Gleichberechtigung sowie eine völlig neue, ungeahnte Qualität des Radaumachens erreicht. Praktisch jeder noch so ruhige Winkel der Welt könne nun endlich von fülligen und dafür eigentlich gar nicht geschaffenen Frauen betreten und beschallt werden.
Durch die segensreiche Erfindung der metallischen Klapperstöcke, so führte anschließend die Sozialwissenschaftlerin Senta Trömel-Plötz (66 Jahre, 91 kg) aus, sei es der gesellschaftlich bislang isolierten Randgruppe der feisten Seniorinnen, die im Geistesleben dieser Republik weder aktiv noch passiv jemals eine Rolle gespielt hätten und nur als Nutznießer eines gut funktionierenden Krankenkassen-, Kreuzworträtsel-, Kurbetriebs- und Witwenversorgungssystems in Erscheinung getreten seien, sei es diesen dicken Damen also gelungen, außer in der Produktion von Dauerwellen, Schwimmringen, Hühneraugen und Krampfadern ebenfalls nachhaltig auf sich aufmerksam zu machen.
Der Kongress hatte auch Momente großer Feierlichkeit, vor allem, als in einer betont feierlichen Feierstunde die „Drei ehernen Gesetze des Klapperstockgebrauchs“ verabschiedet wurden:
1. Wenn ältere, übergewichtige Frauen wandern, hat immer mindestens eine Klapperstöcke dabei, meistens aber alle.
2. Wenn ein gemischtgeschlechtliches Paar wandert, hat in jedem Falle die Frau und nur manchmal der Mann Klapperstöcke dabei.
3. Als weltweit bekannte Erkennungsmelodie der Vereinigung solle der Titel „Tock, tock, tockin’ on heaven’s door“ herhalten müssen.
Auf die technischen Hintergründe der Metallstockklapperei kam sodann Geli Tränäänen (58 Jahre, 87 kg) zu sprechen. Neben dem Polyesterpullover mit applizierten Straßstein-Katzenmotiven sei der Klapperstock das einzige technische Gerät, das Frauen ohne spezielle Unterweisung sofort verstehen und missbrauchen können. In der weiblichen Welt habe der Walking-Stick etwa den sozialen Stellenwert einer Digitalkamera, eines Handys mit runtergeladenem Top-Ten-Polyphonklingelton („Lebt denn dr alte Holzmichl noch?“) oder eines mehrfach höher gelegten Off-road-Jeeps, sei jedoch preiswerter als diese, nerve jedoch erstaunlicherweise genauso.
Der Absatz von Walking-Sticks, so die kundige Finnin, ginge nun derart reißend, dass verrückte Wissenschaftler in aller Welt fieberhaft an neuen mechanischen Konstruktionen feilten, löteten und schweißten, die dann nicht nur klappern oder scheppern sollen, sondern auch metallisch kreischen, falls möglich dissonant klirren oder auch intervallartig rasseln und dröhnen sollen, vielleicht aber auch rattern, bullern, klimpern und bersten, stoßweise aufheulen bzw. -wummern oder auch zackig und unrhythmisch tackern, klackern und knallen können werden sollen.
Abschließend forderte die Bundesvorsitzende der IDFS (Interessengemeinschaft dicker Frauen mit Stöcken), Edeltraut Schönling (63 Jahre, 83 kg), in einer ergreifenden Rede, die immer wieder von spontan aufbrandenden Stockschlägen unterbrochen wurde, den uneingeschränkten und ungehinderten Gebrauch klappernder Walking-Sticks in Kirchen, Stadtbibliotheken, Krankenhäusern und Plenarsälen.
Dann brach eine enthusiasmierte Horde von Kongressteilnehmerinnen auf, das bis dahin ruhige und abgeschiedene Oytal und andere Teile von Oberstdorf und morgen die ganze Welt für ihr Dasein mit kurzen, leicht arhythmisch klackernden Stockschlägen zu bestrafen. War ihnen scheißegal, dass es noch regnete.
OLIVER MARIA SCHMITT