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Archiv-Artikel

Wohnzimmer mit Panic-Room

Außen meterdicker Stahlbeton, innen lichte, warme Wohnung: Vier Findorffer zeigen, wie sich ein trister Luftschutz-Klotz aus Kriegszeiten in ein schmuckes Eigenheim verwandeln lässt, das seinesgleichen sucht. Ein Besuch im Wohn-Bunker am Torfhafen

Schutt rollte Groote auf Holzstämmen nach draußen – „wie die Ägypter“

taz ■ Die alte Eingangsschleuse hat er nicht verschrottet. Zentnerschwere Stahltüren, schwarz, das Blech an der Außenseite gebogen, um der Druckwelle standzuhalten, von innen mit armdicken Zapfen zu verriegeln. Sowas hat nicht jeder in der Wohnzimmerwand.

Otto Groote schon. Zusammen mit drei FreundInnen hat er sich den Bunker in der Findorffer Neukirchstraße, direkt am alten Torfhafen gelegen, zum Doppelhaus umgebaut. Zwei mal 240 Quadratmeter Nutzfläche, etwa vier davon liegen zwischen den beiden Schleusentüren. „Das ist der Panic-Room“, sagt Sozialarbeiter Groote.

Dunkel, muffig, feucht und klamm – diese Vorurteile hegten anfangs auch die vier Findorffer. Ein Besuch bei Gleichgesinnten in Hannover überzeugte sie: Selbst im Bunker lebt es sich trocken und warm. Ende letzten Jahres eingezogen, können Groote und seine FreundInnen das inzwischen selbst beweisen. Als etwa letzten Winter in Findorff alle Keller unter Wasser standen, blieb das vorerst als Stauraum genutzte fensterlose Souterrain im Bunker wie es ist: staubig und trocken.

Andere brauchen Bagger und Kran, um ihren Rohbau zu errichten. Groote brauchte Betonsäge und Abrissmeißel. Denn Bunker sind von Natur aus fensterlos, dunkel und selbst im Innern von halbmeterdicken armierten Betonwänden links und rechts der Flure durchzogen. Grootes Wohnräume dagegen sollten licht und hell und offen sein – ein Dilemma, möchte man meinen.

Zusammen mit Architekt Martin Wirth lösten die Findorffer das Problem mit einem Kunstgriff. Weil Fenster in normaler Größe bei Außenwandstärken von über einem Meter unvermeidlich den Charakter von Gucklöchern hätten, die zudem kaum Licht eindringen ließen, schnitt ein Spezialunternehmen die Bunkerwand an vier Stellen gleich großflächig heraus. Fünf mal fünf Meter messen die beiden etagenübergreifenden Durchbrüche nach hinten zum Torfhafen und der nach vorne zur Straße hin. An der Stirnseite nach Süden fällt die Öffnung etwas schmaler aus.

In ihrer Wohnung haben Groote und seine Lebensgefährtin die Fensterfront im Mauerdurchbruch zusätzlich U-förmig nach innen gezogen. So entsteht ein überdachter Lichthof, der als Terrasse nutzbar ist und daneben alle Wohnräume in beiden Etagen mit Licht versorgt. Das gleiche Prinzip kommt an der Vorderfront zum Einsatz: Wo früher meterdicker Beton stand, ist heute überdachter Eingangsbereich. Die Haustüren selbst sind zurückgesetzt, an den Schmalseiten daneben lassen Fenster Licht eindringen – ganz ohne Tunneleffekt. Das Verhältnis von Fenster- zu Wohnfläche, sagt Groote stolz, sei in seinem Wohn-Bunker dreimal so groß wie in manch anderer „normaler“ Wohnung.

Auch sonst haben Groote und seine Mit-Bewohner dem Bunker-Feeling ein Schnippchen geschlagen. Weil Stahlbeton etwa keine Raum-Feuchtigkeit aufnimmt und auch bei dicken Wandstärken nicht besonders gut isoliert, haben sie eine porösere Innenwand davor gesetzt, die für ein angenehmes Raumklima sorgt. Weiße Wände und ein hell bemalter Fußboden tun das Ihre dazu, in der Ecke flackert der Kamin.

Vor der Gemütlichkeit stand die Knochenarbeit. Groote ist leidenschaftlicher Hobby-Bildhauer. Für die Entkernung seines Bunkers tauschte er den Künstler-Meißel gegen den Presslufthammer ein. Profis trennten die alten Innenwände mit Betonsägen von Boden und Decke. Groote und seine HelferInnen zerkleinerten die Stücke und schafften sie nach draußen: per Schubkarre und Seilwinde, den größten, knapp zwei Tonnen schweren Brocken gar auf runden Holzstämmen – „wie die Ägypter“, sagt Groote. 30 große Mulden füllte der Schutt, fast so viel wie ein kleines Einfamilienhaus.

„Wir wollten nicht unbedingt ungewöhnlich wohnen“, sagt Groote. Nur Platz sollte genügend vorhanden sein. Beim Spaziergang fiel ihm der Bunker ins Auge. Den hatte die Stadt zusammen mit gut 30 anderen zur weiteren Verwendung freigegeben, vorzugsweise, um Wohnraum zu schaffen. Interesse daran scheint es genug zu geben: Hunderten von Neugierigen hat Groote bereits sein von außen klobiges Zuhause gezeigt. Ob er sein Know-How nochmal zum Einsatz bringt und den nächsten Luftschutzbau bewohnbar macht? Nicht auszuschließen. Aber: „Vom Presslufthammer habe ich genug.“ Armin Simon