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Archiv-Artikel

Aus Panik vor El Presidente

Angeklagter gesteht Todesschüsse auf SEK-Mann. Er habe einen Überfall erwartet

Zum Auftakt des Prozesses um die Todesschüsse auf einen SEK-Beamten hat der 34-jährige Angeklagte Yassin Ali-K. gestanden, „aus Todeangst“ mehrere Schüsse abgefeuert zu haben. Er habe mit einem Racheakt der verfeindeten Großfamilie Al-Z. und deren Oberhaupt Mahmut Al-Z. genannt „El Presidente“ gerechnet – und nicht mit der Polizei. In Panik habe er versehentlich auf die Beamten geschossen.

„Es tut mir Leid, ich habe es nicht mit Absicht getan“, sagte der gebürtige Libanese gestern vor dem Berliner Landgericht. Er wisse, dass es für die Tat keine Entschuldigung gebe. Dennoch versuchte er durch seine Aussage, das Gericht vom Gegenteil zu überzeugen. So gab sich auch der Verteidiger Hans Theodor Schmitt sicher: Sein Mandant habe sich in einer Notwehrsituation gewähnt.

Der 37-jährige SEK-Beamte Roland Krüger war am 25. April dieses Jahres erschossen worden, als das Sondereinsatzkommando die Wohnung der Eltern des Angeklagten in Neukölln stürmte. Die Beamten wollten den mit Haftbefehl gesuchten Yassin Ali-K. festnehmen. Grund war eine Messerstecherei vor der Rudower Disko „Jungle“, bei der ein Mitglied der Familie Al-Z. lebensgefährlich verletzt wurde. Yassin Ali-K. war im „Jungle“ nach eigenen Angaben als Geschäftsführer und „Sicherheitschef“ tätig.

Die Staatsanwaltschaft legt ihm unter anderem Totschlag zur Last. „Der Angeklagte hat einen Menschen erschossen, ein Mörder ist er nicht“, so Staatsanwalt Michael von Hagen. Die von Ali-K. vorgetragene Notwehrsituation könne er aber nicht erkennen. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass die Polizei bei der Erstürmung der Wohnung laut „Polizei, Polizei“ gerufen hätten. Dies bestätigte gestern auch ein Nachbar der Familie. Yassin Ali-K. sagte jedoch aus, nichts gehört zu haben. Es sei zu laut in der Wohnung gewesen, weil die ganze Familie beisammengesessen habe, darunter seine drei Kinder, und zudem der Fernseher lief.

Auch das große Schild mit der Aufschrift „Polizei“, das die Beamten vor sich getragen haben sollen, will er nicht gesehen haben. Eine Nachstellung des Tatherganges unter gleichen Lichtverhältnissen habe jedoch ergeben, dass man es deutlich erkennen konnte, so der Staatsanwalt.

Der Vorsitzende Richter Jordan hatte vor dem Prozess umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen angeordnet. So musste der Angeklagte während der Verhandlung Fußfesseln tragen, nur die Handschellen wurden ihm später abgenommen. Die vom Richter befürchteten Störungen durch Familienmitglieder blieben aus. Es war niemand gekommen. Auch Sorgen um eine eventuelle „aufgeheizte Stimmung“ erwiesen sich bislang als unbegründet. Der Verteidiger kritisierte die strengen Auflagen für seinen Mandanten und die kurzfristige Verlegung des Prozesses in den hoch gesicherten Gerichtssaal 700, den so genannten Terroristensaal. Dennoch wird der Prozess dort am Mittwoch fortgesetzt. JAN ROSENKRANZ