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Archiv-Artikel

Stoiber entdeckt sein grünes Herz – ausgerechnet Stoiber

Die Union will ihr umweltpolitisches Profil schärfen. Meinungsforscher: Umweltkompetenz hatten CDU und CSU noch nie. Trotzdem wählt jeder vierte Öko die Union

BERLIN taz ■ Umfrage unter Fachkollegen: „Wie heißt der umweltpolitische Sprecher der Union im Bundestag?“ „Ööööhhmmmm …“ Dass kaum jemand Peter Paziorek kennt, ist ein Teil des Problems, das die CDU/CSU mit dem Thema Umwelt hat: „Die Umweltkompetenz der Union war immer minimal“, sagt Manfred Güllner, Chef von Forsa. Der Union werden eher Kompetenzen bei der Wirtschaftspolitik zugeschrieben „Und die ökonomische Kompetenz reicht völlig aus. Die Union braucht ökologischen Sachverstand so wenig wie die FDP.“

Das sehen die Umweltpolitiker der Union natürlich anders. Peter Paziorek kämpft dafür, dass „2005 für die Union das Jahr der weichen Themen wird – also auch der Umweltpolitik“. Paziorek: „Die Menschen fragen nach einer Politik zur Innenstadtgestaltung, gegen den Lärm und für Naturschutzflächen.“ In den Zielen ist sich Paziorek mit der rot-grünen Regierung oft einig. „Aber wir haben andere Instrumente: mehr Marktwirtschaft, weniger Staat.“ Paziorek hat noch ein anderes Argument: Nach einer Studie des Umweltbundesamtes zum Umweltbewusstsein wählen 25,5 Prozent der „umweltengagierten“ Menschen die Union – 23,8 die SPD und 20 Prozent die Grünen.

Sein Amtskollege Josef Göppel von der CSU kritisiert das Erscheinungsbild der Union beim Umweltschutz. Die CSU in Bayern sei „Spitze bei technischem Umweltschutz und Naturschutz“, aber: „In seltsamem Gegensatz dazu steht die zurückhaltende Außendarstellung.“

Das umweltpolitische Profil der gesamten Union müsse geschärft werden, befand selbst der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber. Es könne nicht sein, dass die Union in Sachen Wärmedämmung von Altbauten und dem Ausbau der erneuerbaren Energien aus Parteitaktik gegen sinnvolle rot-grüne Projekte stimme. Stoiber hat dabei nicht nur die Glaubwürdigkeit der Union, sondern auch die ureigenste Wählerklientel im Auge: das Handwerk und die Bauern.

Stoibers Entdeckung seines grünen Herzens wird in der CDU-Fraktion mit bittersüßer Genugtuung aufgenommen. Immerhin war es der ehemalige Kanzlerkandidat der Union, der 2002 die Bundestagswahl verlor – auch wegen seiner Weigerung, sich mit Umweltpolitik zu beschäftigen. Einen Umweltminister gab es in Stoibers Schattenkabinett nicht. Und der hastig anberaumte Termin mit den Umweltverbänden nach der großen Flut im Osten hinterließ bei der BUND-Vorsitzenden Angelika Zahrnt den Eindruck, dieser Besuch sei nur der Versuch der bayerischen Staatskanzlei gewesen, Umweltkompetenz zu beweisen.

Ohnehin sind die Umweltschützer nicht gut auf die Union zu sprechen. Unvergessen ist die Polemik der ehemaligen Umweltministerin Angela Merkel gegen die Ökosteuer. Im Frühjahr 2004 distanzierte sich Merkel vom Kioto-Protokoll, das sie selbst verhandelt hatte. Ob Atomausstieg, Chemiepolitik, Landwirtschaft oder Verkehr: Die Vorstellungen der Union werden von den Umweltverbänden regelmäßig mit Empörung zurückgewiesen. Angela Merkel hat nächste Woche die Chance, das zu ändern. Am Mittwoch ist die CDU-Chefin eingeladen, vor dem Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung über die Ideen der Union zum Thema Nachhaltigkeit zu sprechen. In der CDU-Zentrale heißt es dazu: „In diesem Jahr steht für uns das Wirtschaftswachstum im Vordergrund.“ BERNHARD PÖTTER