Kanzler fast gerettet

SPD und Grüne sehen gute Chancen auf Einigung bei Reformen für den Arbeitsmarkt. Entscheidung fällt in einer Koalitionsrunde am Montag

BERLIN taz ■ Bei SPD und Grünen mehren sich eine Woche vor dem D-Day der Schröder-Regierung die Zeichen der Entspannung. Experten der beiden Koalitionsfraktionen haben sich am Freitag auf Eckpunkte für die Korrekturen der umstrittenen Arbeitsmarktreformen geeinigt. „Wir sind auf einem guten Weg. Die Schnittmengen zwischen beiden Parteien werden immer größer“, sagte Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, der taz. Einzelheiten wollten die Fraktionsspitzen aber noch nicht nennen, um eine aufgeregte Debatte übers Wochenende zu vermeiden.

Die Klarstellungen, die im Detail noch ausgearbeitet werden müssen, betreffen nach Informationen der taz die Zumutbarkeitsregeln für Minijobs sowie die Anrechnung von Ersparnissen und privater Altersvorsorge bei Beziehern des neuen Arbeitslosengeldes II. Künftige Empfänger des Arbeitslosengeldes II sollen jede zumutbare Arbeit annehmen. Kritiker in den Reihen der SPD und die gesamte Grünen-Fraktion befürchten, dass das gerade bei Minijobs zu Lohndumping führt. Jetzt soll in das Hartz-IV-Gesetz eine Klausel aufgenommen werden, derzufolge der Stundenlohn auch bei Minijobs nicht unter dem ortsüblichen Lohnniveau liegen soll.

Der bisherige Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass diejenigen, die Arbeitslosengeld II beziehen wollen, erst an ihre Ersparnisse müssen. Bislang ist vorgesehen, den Arbeitslosen ein Sparguthaben von 200 Euro pro Lebensjahr zu erlauben. Jetzt soll dieser Freibetrag deutlich erhöht werden. In anderen Punkten, etwa der Forderung grüner Ost-Abgeordneter nach Quoten bei der Arbeitsmarktförderung in strukturschwachen Gebieten Ostdeutschlands, konnten sich die Fraktionen noch nicht einigen. Ob die Ergebnisse für eine rot-grüne Mehrheit im Bundestag reichen, ist nach wie vor offen. „Noch können wir keine Entwarnung geben“, sagte ein grüner Verhandler zur taz.

Eine endgültige Entscheidung über die Gesetzeskorrekturen fällt Montag mittag in einer Koalitionsrunde unter Leitung des Kanzlers. Montag nachmittag treffen sich die Fraktionen von SPD und Grünen dann zu Sondersitzungen. Die kritischen Abgeordneten können da noch einmal diskutieren. Ausformuliert vorliegen müssen die Gesetzesentwürfe bis spätestens Mittwoch morgen. Einige Abweichler der SPD-Fraktion haben jedoch bereits erklärt, sie würden die Entscheidung über ihr Abstimmungsverhalten am 17. Oktober im Bundestag erst „in letzter Minute“ fällen. Solange muss die Rettungsaktion für den Kanzler also schon noch warten.

JENS KÖNIG