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Archiv-Artikel

El Presidente kämpft

Nach seinem Rausschmiss beim FC Union will Präsident Bertram seinen Chefsessel nicht aufgeben und sucht die Verbrüderung mit den Fans. Die sollen helfen, einen neuen Aufsichtsrat zu installieren

von ANDREAS RÜTTENAUER

Eigentlich ist schon alles vorbei für Heiner Bertram. Der Präsident des Fußballzweitligisten Union Berlin war am Donnerstag vom Aufsichtsrat des Klubs seines Amtes enthoben worden. Da der Aufsichtsrat die Satzung nicht gut genug studiert hat, nach der ein abgesetzter Präsident drei Tage nach dem Beschluss über eine Entlassung noch einmal Stellung beziehen darf, steht dem langjährigen Chef an der Alten Försterei noch einmal ein unangenehmer Gang in die Geschäftsstelle bevor. Heute will Bertram dem Aufsichtsrat seine Meinung zur Entlassung darlegen. Danach ist er erst einmal Expräsident.

Vielleicht aber ist er bald schon wieder Präsident. Denn aufgeben will Bertram nicht. Auf einer Pressekonferenz am Freitag verkündete der Offizier seinen Schlachtplan zur Wiedereroberung des Chefsessels an der Wuhlheide. Er sucht sein Heil in der Verbrüderung mit den eingeschriebenen Fans. Die sollen eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen, auf der, so hofft Bertram, der Aufsichtsrat abgesetzt und ein neuer installiert werden soll. Für den stehe er natürlich wieder für den Verein zu Verfügung. Wenn sich 25 Prozent der Mitglieder für eine Hauptversammlung aussprechen, muss das Präsidium die Einladungen verschicken.

Bertrams Entlassung hat die Fans ebenso unvorbereitet getroffen wie den Präsidenten selbst. Das manifestiert sich etwa im Fan-Forum des Vereins: Hier wird in den meisten Beiträgen auf die Leistungen Bertrams für den Klub hingewiesen.

Auch der Präsident gibt sich entsetzt über das Vorgehen des obersten Uniongremiums. Die Entlassung sei überhaupt nicht sachlich begründet worden. Ein Aufsichtsratsmitglied habe ihm mitgeteilt, dass man nicht wolle, das der Verein unter der Last des Namens Heiner Bertram zu leiden habe.

Er ist in den Augen der Clubkontrolleure mehr und mehr zu einem Alleinherrscher an der Alten Försterei geworden. Der Angesprochene sieht das alles ganz anders. Alle Entscheidungen über das Wohl und Wehe des Vereins seien immer gemeinsam getroffen worden, er, Bertram sei nur das Sprachrohr gewesen.

Während sich Bertram noch über sein Schicksal beklagt und versucht, Truppen um sich zu scharen, steht der neue Präsident schon in den Startlöchern: Jürgen Schlebrowski. Der war einst in den schwierigsten Tagen des Vereins Aufsichtsratvorsitzender und hat zuvor als leitender Manager des Sportartikelherstellers Nike einen Deal eingefädelt, ohne den der damalige Regionalligist wohl bankrott gegangen wäre. In einem Interview äußert er Verständnis dafür, dass Heiner Bertram nicht aufgeben will: „Das ist legitim, aber nicht glücklich.“ Ein Patentrezept für die Gesundung des Vereins indes hat auch er nicht. Außer Floskeln wie: „Wir müssen das Schiff wieder auf Kurs bringen“, weiß er noch nicht viel zu sagen. Auch die Entlassung von Trainer Mirko Votava stehe zunächst nicht auf der Agenda.

Derweil konnte Bertram die ersten Punkte bei den Fans machen. Bei einem Testspiel gegen Werder Bremen (0:3) am Freitagabend skandierte ein Großteil der 2.500 Besucher seinen Namen. Auch die ersten Unterschriftenlisten zur Einberufung einer Vollversammlung kursieren bereits.

Zu einer offiziellen Stellungnahme hat sich noch keiner der großen Fanclubs entschließen können. Die meisten Fans jedoch sind mittelschwer entsetzt darüber, dass der Aufsichtsrat in einer Situation, die sportlich – Union ist Tabellenletzter – und finanziell kaum schwieriger sein könnte, für noch mehr Chaos sorgt. Ein Sprecher des Fanzusammenschlusses „Virus“ hat vor allem Angst davor, dass die Anhängerschaft der Eisernen gespalten wird.

Ob Heiner Bertrams Anbiederungsversuche bei den Fans („Wenn ich scheitern sollte, stelle ich mich in die Kurve.“) von Erfolg gekrönt sein werden, ist auch deshalb ungewiss, weil der Fanvertreter im Aufsichtsrat für die Demission Bertrams gestimmt hat. Zum anderen wurden am Freitag im Fanlager Stimmen laut, die eindeutiger nicht sein könnten: „Wir lassen uns vor keinen Karren spannen!“