: Matthias Platzeck tröstet Kinder
Matthias Platzeck führt Wahlkampf wie Väter Gespräche mit ihren Kindern. Das ist schwieriger geworden.
Noch im Juni vor zwei Jahren, als er zum brandenburgischen SPD-Ministerpräsidenten gewählt wurde, waren die Landeskinder zufrieden. Bis zuletzt, bis zum Rücktritt seines Vorgängers Manfred Stolpe, hatte Platzeck stets betont, er sei gern Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam. Dies muss bedacht werden. Denn der Anschein des Gebetenwerdens war wichtig für den Start des Stolpe-Nachfolgers. Der hatte zwölf Jahre lang das Bundesland wie ein Vater geführt: stets auf den guten Ruf der Familie bedacht, hin und wieder milde tadelnd, jederzeit bereit, die sich ihm entgegenstreckenden Hände der Landeskinder zu schütteln.
Als dann der damals 48-jährige Platzeck die Führung übernahm, trat er ein schweres Erbe an. Wie in jeder Familie, deren Zusammenhalt durch Krisen von außen erschüttert wird, wurden plötzlich die Folgen der Stolpe-Jahre sichtbar: Das Land war hoch verschuldet, die Arbeitslosigkeit – vor allem in berlinfernen Regionen – alarmierend hoch.
Das Scheitern prestigeträchtiger und durch Steuergelder üppig geförderter Großprojekte markierte eine Selbstverständniskrise der Märker. Matthias Platzeck versuchte stets tapfer, den Ruf vom Pleiteland Brandenburg bei potenziellen Investoren zu korrigieren. Der taz sagte er kürzlich, es sei „nachgewiesen, dass von den 50 in Brandenburg geförderten Großprojekten 47 hervorragend arbeiten“. Dass in den 3 nicht so hervorragend arbeitenden – Lausitzring, Cargolifter und der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) – unzählige Steuermillionen versenkt wurden, sagt er nicht. So zieht er in diesen letzten Wahlkampftagen durchs Land. Er hört sich die Sorgen der örtlichen Bildungspolitiker an – in Brandenburg droht jeder dritten Schule die Schließung –, den Ärger der Mitarbeiter von Sozialprojekten über gestrichene ABM-Stellen. Und er signiert wie ein Popstar seine Hochglanz-Wahlwerbung.
Denn der 2002 Reingeheiratete hat sich bemüht ein guter Vater zu sein. Nicht so mitfühlend wie einst Stolpe, den er immer noch siezt, eher hemdsärmelig und um klare Worte nicht verlegen. „Selbstmitleid wäre ein Fehler, das würde ich nicht zulassen“, so Platzeck. Darin unterscheidet er sich von den Landeskindern. Würden sie am Sonntag nicht über Hartz IV abstimmen, sondern über Platzeck – ein Scheidungsfall in der Familie käme nicht in Betracht. ANJA MAIER