Cohn-Bendit vorn

Bei der Vorausscheidung für die grüne Europawahlliste wirft EU-Abgeordnete Breyer ihren Freunden „Intrige“ vor

MAINZ taz ■ Die Delegierten der grünen Landesverbände Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland nominierten am Sonnabend in Mainz den Europaabgeordneten Daniel „Dany“ Cohn-Bendit zum Anwärter für die Spitzenkandidatur bei den Europawahlen 2004. Das Votum muss allerdings noch von der Bundesdelegiertenkonferenz Ende November in Dresden bestätigt werden. Konkurrenz um den ersten Platz auf der dann gemeinsamen Liste muss der Achtundfünfzigjährige aber nicht fürchten. In Mainz jedenfalls erhielt Cohn-Bendit beeindruckende 90 von 99 Delegiertenstimmen.

Der einmal „rote Dany“ sitzt zur Zeit noch für die französischen Grünen im Europaparlament. Bei den Grünen in Frankreich aber tobe aktuell ein „Richtungsstreit“, der die gesamte Partei lähme, so Cohn-Bendit. Deshalb habe er sich zu einer Kandidatur auf der Liste der deutschen Grünen entschlossen. Für Cohn-Bendit sind die Grünen die Europapartei. Das „europäische Selbstverständnis“ der Grünen, so Cohn-Bendit, spiegelte sich auch im Motto der Delegiertenkonferenz wieder: „Yourope!“

Neben Cohn-Bendit nominierten die Delegierten die Bundestagsabgeordnete Ulrike Höfken und den ehemaligen MdB Christian Sterzing, beide aus Rheinland-Pfalz. In einer Kampfkandidatur schlug Höfken die langjährige Europaabgeordnete und passionierte Umweltpolitikerin Hiltrud Breyer aus dem Saarland aus dem Felde; Breyer fehlten am Ende 17 Stimmen zum Sieg. Ihre Niederlage lastete sie einer „Intrige“ an, die der Landesvorsitzende der saarländischen Grünen, der Bundestagsabgeordnete Hubert Ulrich, „angezettelt“ habe.

Tatsächlich sprach sich Ulrich (Saarland) für die Wahl von Ulrike Höfken (Rheinland-Pfalz) aus, um die von Breyer (Saarland) zu verhindern. Breyer zählt zu den schärfsten Kritikern von Ulrich, dem sie vorwirft, den Kreisverband Saarlouis mit Verwandten und Bekannten „okkupiert“ zu haben und seitdem mit „seinen Delegierten“ alle Landesversammlungen zu beherrschen. Breyer will in Dresden erneut antreten und sich einen Platz auf der Europaliste erkämpfen, denn in Mainz sei von Ulrich „ein Possenstück inszeniert“ worden.

Joschka Fischer gerierte sich auf dieser Europaversammlung als Innenpolitiker. Scharf kritisierte der Außenminister die Vorschläge der Herzog-Kommission. Die seien „pure Umverteilungsideologie“, mit der sich die Union von einem Grundwert des Landes verabschiede. Die Delegierten waren dankbar für die Schärfung des Feindbildes, Fischer wurde mit Beifall überschüttet.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT