: Sachsen fürchtet NPD-Sieg
Kurz vor der Landtagswahl in Sachsen entdeckt die Politik Gefahr von rechts. Kirche, Künstler und Sportler machen mobil. Umfragen sehen NPD in Sachsen und DVU in Brandenburg über 5 Prozent
DRESDEN taz ■ Der befürchtete Einzug der rechtsextremen NPD in den sächsischen Landtag alarmiert Politik und Gesellschaft. Unmittelbar vor der am Sonntag in Brandenburg und Sachsen anstehenden Landtagswahl wächst die Furcht vor den negativen Konsequenzen brauner Einsprengsel im Parlament. Nach Umfragen könnte die NPD in Sachsen 9 Prozent erreichen. In Brandenburg werden für die rechtsextreme DVU 6 Prozent prognostiziert.
In Sachsen wandten sich erstmals seit 1990 die Landesbischöfe gemeinsam an die Bevölkerung und forderten sie zur Teilnahme an der Wahl auf. In einer am vergangenen Sonntag in den Kirchen verlesenen Erklärung warnten sie zugleich vor Radikalen, „die sich in komplizierten Situationen mit einfachen Lösungen zu Wort melden“, so der katholische Bischof Joachim Reinelt. Die evangelische Kirche Berlin-Brandenburgs und der sächsischen Oberlausitz will am Wahlsonntag im Gottesdienst für die Teilnahme an der Landtagswahl werben.
Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) wies in einer Postwurfsendung an alle Haushalte in dieser Woche auf mögliche wirtschaftliche Konsequenzen eines NPD-Erfolgs hin. „Jede Stimme für Radikale von rechts und links beschädigt das Ansehen unseres Landes“, schrieb Milbradt unter Einbeziehung der PDS in seiner Warnung. Zuvor hatte schon Wirtschaftsminister Martin Gillo die Befürchtung geäußert, insbesondere US-amerikanische Investoren könnten durch einen Erfolg der Rechtsextremen abgeschreckt werden.
Unter dem Motto „Wer nicht wählen geht, wählt radikal!“, zeigt sich eine unternehmernahe Initiative „Sachsen geht wählen“ im Internet und per Anzeige in den Tageszeitungen ebenfalls besorgt. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt machte unterdessen die mangelhafte Vermittlung der Reformvorhaben durch die Politik für das Erstarken rechtsradikaler Kräfte verantwortlich.
In Dresden warben am Donnerstagabend in der Dreikönigskirche Intendanten aller Kunsteinrichtungen der Stadt, Sportler, Bischöfe, Handwerker, Lehrer und Jugendarbeiter gemeinsam für eine hohe Wahlbeteiligung zugunsten demokratischer Kräfte. Initiativen gegen rechts wie die „Aktion Zivilcourage“ in Pirna riefen ebenfalls dazu auf, zeigten sich aber weniger von der Entwicklung als von der späten Reaktion der Politiker darauf überrascht.
In letzten Umfragen werden der NPD in Sachsen zwischen 7 und 9 Prozent Stimmenanteil vorausgesagt. Infratest dimap billigt ihr sogar ein Potenzial von bis zu 13 Prozent zu. Erklärtes Ziel der NPD ist es, die in Sachsen schwache SPD zu überflügeln und auf Anhieb drittstärkste Kraft zu werden. In Brandenburg ist es das Ziel der rechtsextremen DVU, erneut in den Landtag einzuziehen. Meinungsumfragen sahen die Partei zuletzt bei etwa 6 Prozent der Stimmen.
NPD und DVU hatten sich im Vorfeld der Wahlen darauf geeinigt, nicht gegeneinander anzutreten. Daher kandidiert in Sachsen für die Rechtsextremen nur die NPD, in Brandenburg die DVU. Gestern rief die NPD per Brief an alle Haushalte zu ihrer Wahl auf. „Wahlen sind keine Spielwiese, wo man einmal sein Mütchen kühlen kann“, sagte dazu die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Marieluise Beck der taz. Wähler sollten sich bewusst sein, dass es um Demokratie, Freiheit und Pluralismus gehe. Zugleich appellierte die Ausländerbeauftragte an die Länder, für die Verstetigung der vom Bund 2001 angeschobenen Programme gegen Rechtsextremismus zu sorgen. Bis 2006 fließen hier insgesamt 182 Millionen Euro in 3.625 kleinteilige Projekte vor Ort. „Spätestens am Wahlsonntag 18 Uhr dürfte die Notwendigkeit dafür leider offenkundig werden“, sagte Beck.
MICHAEL BARTSCH
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