: Geheime Botschaften als Kakao-Rezept
Der Widerstand christlicher Frauen gegen das Nazi-Regime war lange wenig erforscht. In Euskirchen beleuchtet eine Ausstellung die unterschiedlichen Lebenswege. 90.000 Frauen wurden im Konzentrationslager Ravensbrück getötet
Für die tief religiösen Frauen im Konzentrationslager Ravensbrück waren Gebet und heimliche Messe eine Form des Widerstands. Jede aktive Religionsausübung war im Lager verboten. Polnische Ordensfrauen formten deshalb aus ihren Brotrationen Kugeln für Rosenkränze und feierten sonntags heimlich Lager-Messen für die Gefangenen. Die französische Schriftstellerin Yvonne Pagniez bastelte aus Brot sogar einen kleinen Altar mit einer Christusfigur.
Der Widerstand christlicher Frauen erstreckte sich von alltäglichen Verweigerungshaltungen bis hin zum bewussten Angriff des NS-Regimes unter Opferung des eigenen Lebens. Die Einzelschicksale dieser Frauen waren lange Zeit wenig erforscht. Erst Elisabeth Prégardier und Gerlind Schwöbel recherchierten nach der Wende umfangreich in der DDR-Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Noch bis 17. Oktober ist im Casino in Euskirchen ihre Wanderausstellung „Christliche Frauen im Widerstehen gegen den Nationalsozialismus“ zu sehen. Sie besteht aus 18 Pultvitrinen, ergänzt durch Lesemappen mit Dokumenten wie Briefen, Fotos oder Artikel. Ravensbrück war das größte Frauenkonzentrationslager des Hitler-Regimes. Die Nazis deportierten zwischen 1939 und 1945 rund 132.000 Frauen aus über 40 Nationen dahin. 90.000 von ihnen kamen durch medizinische Experimente oder Hunger und Krankheiten ums Leben.
Jede Vitrine beschreibt das Einzelschicksal einer „Ravensbrückerin“. Gedichte und Zeichnungen, die in der Gefangenschaft entstanden sind, ergänzen die ausführlichen Lebensbeschreibungen. Corrie ten Boom bestickte beispielsweise ein Tuch, das sie als Rezept für Kakao tarnte. Darauf schrieb sie „Ruhe. Es ist hier kein Erholungsheim.“ Beklemmend auch die Feder- und Kohlezeichnungen der Inhaftierten Violette Rougier-Lecoq und Maria Hispanska. Im altertümlichen, stillen Ausstellungsraum sind Hoffnung und Verzweiflung, Leben und Tod stets gegenwärtig.
Auch Kirchenfrauen in Amt und Würde waren damals nicht sicher. Katharina Staritz war Vikarin der Kreissynode Breslau-Stadt. Sie verfasste 1941 ein Rundschreiben, in dem sie den Ausschluss von Juden von allen Gottesdiensten als nicht-christliches Verhalten verurteilte. Und schlug vor, diese Menschen an besonderen Plätze in der Kirche zu schützen. Fünf Wochen später wurde Staritz vom Dienst suspendiert, das SS-Hetzblatt „Das schwarze Korps“ hatte sie in einem Artikel diffamiert. Aber Staritz engagierte sich weiter in kirchlichen Hilfseinrichtungen wie dem „Büro Pfarrer Grüber“, das Juden bei der Flucht unterstützte. 1942 verhaftete sie die Gestapo und deportierte sie ins Konzentrationslager.
1991 nahm die Initiatorin der Ausstellung, Elisabeth Prégardier, an einer Wallfahrt von 200 Polinnen teil, die im KZ inhaftiert waren. Viele dieser Frauen erklärten, sie seien ohne Hass gekommen. Diese Haltung und ihre Entschlossenheit, sich dem Rassenwahn zu widersetzen beeindruckte Prégardier sehr: „Seitdem weise ich bei jeder Ausstellungseröffnung darauf hin.“
BORIS HÄNßLER