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Archiv-Artikel

Hertha BSC hat keine Chance

Fußball-Bundesliga: Mit dem 0:0 gegen den VfB Stuttgart am Sonntagabend bleibt Hertha BSC Berlin auch nach dem fünften Spieltag sieglos. Positiv: Immerhin werden diesmal keine Torchancen vergeben. Negativ: Es werden erst gar keine rausgespielt

Die zweite Hälftewar schwach – undhätte genauso gutausfallen können

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Dieter Hoeneß, Manager von Hertha BSC, ist ein echter Optimist. Vor dem Bundesligaspiel gegen den VfB Stuttgart war er sich sicher gewesen, dass Hertha überzeugen würde. Er erinnerte sich an den 1:0-Sieg der Berliner über die Stuttgarter gegen Ende der letzten Saison und war sich sicher, dass seine Hertha allein deshalb auch in dieser Saison wieder gewinnen würde. Nun, Hertha gewann nicht: Das 0:0 gestern Abend war das fünfte Remis im fünften Saisonspiel. Und es wird auch für Optimist Hoeneß nicht einfach, das als Fortschritt zu verkaufen.

Bereits nach den eher dürftigen Leistungen in den letzten beiden Spielen war deutlich geworden, dass es Probleme gibt – und alles andere als harmonisch zugeht im Team. Da lästerte er verletzte Abwehrspieler Arne Friedrich auf seiner Homepage offen über die mangelnde Torausbeute der Stürmer. Dabei handelt es sich nicht um irgendeine unbedeutende Einzelmeinung, nein, es handelt sich um die Äußerung des amtierenden Mannschaftskapitäns. Die kritisierten Stürmer fanden das gar nicht witzig. Artur Wichniarek, einer der eifrigsten Chancenversemmler dieser Saison, merkte an, dass es auch Verteidigern nicht verboten sei, Tore zu schießen. Fredi Bobic, der Stürmer im Team, dem immerhin schon ein Tor gelungen ist in dieser Saison, meinte, dass sich eine Stürmerdiskussion ohnehin erübrigen würde, da „bei mir die Wahrscheinlichkeit, dass ich treffe, sowieso am größten ist“. Und Trainer Falko Götz fand es offiziell gut, dass sein Kapitän sich einmischt, auch wenn er nicht gut finden kann, wie er das tut. Schlechte Laune war ihm nicht anzumerken, wenngleich er registriert haben dürfte, dass er nach dem mäßigen Saisonstart mit vier Punkten aus vier Spielen seinen Status als allseits geliebter Gute-Laune-Bär der Hertha verloren hat.

Die Frage der mangelnden Chancenverwertung, an der Hertha in den letzten Wochen zu verzweifeln schien, stellte sich lange Zeit gar nicht beim Spiel gegen den VfB Stuttgart. Denn Hertha erarbeitete sich am gestrigen Abend im Olympiastadion kaum Chancen, die man hätte vergeben können. Irgendwie war der Mannschaft anzumerken, dass es schon zu diesem frühen Zeitpunkt in der Saison zu knirschen begonnen hat im Herthagetriebe.

Es fehlte einfach das Vertrauen in die Fähigkeiten des Mitspielers, viel zu wenige Pässe wurden gespielt. Und beinahe nur bei Standardsituationen von außen wurden die Bälle in Richtung der Stürmerköpfe von Fredi Bobic und Nando Rafael gezirkelt, wo sie selten genug ankamen.

Dass der VfB Stuttgart zur Pause auch noch kein Tor geschossen hatte, lag hauptsächlich daran, dass der ansonsten so treffsichere Cacau zweimal frei von dem Herthator stehend scheiterte. Zum Ende der Halbzeit sorgte dann doch noch ein Hertha-Stürmer für Aufsehen. Nando Rafael drosch nach einem Freistoßpfiff den Ball in den Himmel. Danach ereiferte er sich über die gelb-rote Karte, die er sah, weil er zuvor schon wegen eines Foulspiels verwarnt worden war, derart heftig, dass man sich wunderte, woher der junge Mann plötzlich diese Energie hernahm. Auf dem Platz hatte er zuvor alles andere als wach gewirkt.

Und die zweite Hälfte? Die fand zwar statt, hätte aber genau so gut wegfallen können. Auf eine Trotzreaktion der dezimierten Berliner warteten die Zuschauer genauso vergeblich wie auf eine zwingende Aktion der Stuttgarter. Das wird eine interessante Woche: Man darf gespannt sein, wo Daueroptimist Dieter Hoeneß das Positive sieht.