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Archiv-Artikel

Sächsische CDU verliert Alleinherrschaft

Zugewinne für PDS, Sozialdemokraten knapp vor NPD, Zittern bei Grünen – und die CDU sucht einen Koalitionspartner

DRESDEN taz ■ „Dona nobis pacem“, sang ein Chor der „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“ vor dem Landtag, Jusos und das Netzwerk „Tolerantes Sachsen“ zeigten auf dem Vorplatz Plakate „Rechtsextremismus bekämpfen, Demokratie fördern“. Geholfen hat das ebenso wenig wie die Lawine von Wahlaufrufen in letzter Sekunde. Die rechtsextreme NPD schafft in der befürchteten Höhe den Einzug in den Sächsischen Landtag.

Das Statement von Spitzenkandidat Holger Apfel und dem NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt im Landtagsfoyer ging zwar in Buhrufen unter, doch Apfel triumphierte: „Das ist ein fulminantes Signal für die Bundestagswahl 2006, mit einer vereinigten Rechten in den Bundestag einzuziehen.“ Apfel behauptete, die Kampagne von Medien und Politikern hätte die „nationalen Wähler“ erst recht mobilisiert. Er kündigte eine Fundamentalopposition an.

Wie sehr sich die Verhältnisse in Sachsen verändert haben, illustriert die verhaltene Freude der SPD, zumindest knapp vor der NPD geblieben zu sein. Vor allem junge Leute, Arbeiter und Arbeitslose haben die NPD gewählt. Die Ergebnisse spiegeln den bereits bei den Europa- und Kommunalwahlen im Juni ablesbaren Trend zu den kleineren Parteien wider. Die wiederum nur schwache Wahlbeteiligung verschob die Relationen zusätzlich zu ihren Gunsten.

Am Wetter kann sie nicht gelegen haben, ab Mittag zogen wenig ausflugsattraktive Regenwolken über Sachsen. Spätestens um 18 Uhr erreichten sie dann auch den Fraktionsraum der CDU. Beim Erscheinen der ersten Hochrechnung verstummte der Saal wie auf einer Beerdigung. Die absolute Mehrheit ist dahin, die CDU wird sich daran gewöhnen müssen, die Macht mit einem Koalitionspartner zu teilen. Ministerpräsident Georg Milbradt wirkte sichtlich betreten und zog sich auf eine „Normalisierung der Stimmenverhältnisse“ zurück. Es sei ohnehin eine Ausnahmesituation für die CDU gewesen, in Sachsen mit absoluter Mehrheit zu regieren.

Wie Milbradt äußerten auch Politiker anderer Parteien Sorge über den Ruf Sachsens nach dem Einzug der NPD. Spannend dürfte nun werden, ob innerhalb der CDU die alten Flügel der ehemaligen Konkurrenten Biedenkopf und Milbradt wieder aufbrechen, da Ministerpräsident Georg Milbradt als erneuter Mehrheitsbeschaffer versagt hat. Die CDU hatte im Wahlkampf ganz auf den Nimbus gesetzt, den Sachsen auch im Westen genießt. Musterland im Osten, in einigen Wirtschaftszweigen besser als der Westen, bei der Pisa-Studie auf dem dritten Platz in Deutschland. Die Wähler in Sachsen empfanden ihre persönliche Situation offenbar anders.

Jede Veränderung mit Ausnahme der NPD-Stimmen ist besser als eine Fortschreibung der absoluten CDU-Mehrheit. Auf diesen Minimalkonsens ließe sich der Wahlkampf aller anderen Parteien bringen. Das scheint gelungen, und PDS-Spitzenkandidat Peter Porsch pries diesen Erfolg als Erster. Die PDS freute sich an diesem Abend trotz des schwachen Zugewinns vor allem darüber, dass die Stasi-Kampagne ihrem Spitzenkandidaten offensichtlich wenig geschadet hat.

Die SPD hatte schon mit dem Schlimmsten gerechnet und weinte deshalb nicht so laut. „Gemessen an der Ausgangslage können wir zufrieden sein“, meinte ihr Schlachtross Karl Nolle. Man habe sich im Wahlkampf trotz Hartz IV nicht versteckt, sagte Spitzenkandidat Thomas Jurk. „Wir werden noch wahrgenommen“, das wertet eine SPD in Sachsen schon als Erfolg. „Für uns geht ein lange Durststrecke zu Ende“, freute sich der FDP-Spitzenmann und Werbeagenturchef Holger Zastrow. Er wiederholte sein Koalitionsangebot an die CDU. „Es kann mit einer bürgerlichen Mehrheit weitergehen, wenn die CDU zu wirklichem Reformen bereit ist.“ Antje Hermenau von den Grünen kündigte an, auf jeden Fall in der Opposition bleiben zu wollen. Der Einzug der Grünen in den Landtag stand lange auf der Kippe. MICHAEL BARTSCH