: Eine Wiedergeburt der NPD – wirklich?
Die Rechtsnationalen sitzen in Sachsens Landtag. Dort werden sie sich selbst zerfleischen und ihre Wähler desillusionieren. Das jedenfalls legen die bisherigen Parlamentserfahrungen mit den Nationaldemokraten nahe
FRANKFURT/MAIN taz ■ Vier Prozentpunkte für die NPD Anfang September im Saarland, jetzt der Einzug in den sächsischen Landtag. Ist das ein Renaissance für die im November 40 Jahre alt werdende Partei der rechtsradikalen und im Osten vielfach auch -extremistischen Szene, die Mitte der 80er-Jahre schon in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden zu sein schien?
Wohl kaum. Schon mehrfach war es der NPD in der Vergangenheit gelungen, in diverse Landtage und auch bedeutende kommunale Parlamente – wie etwa in Frankfurt am Main – einzuziehen. Doch dort etablieren konnte sich die Partei nie. Meist waren ihre Abgeordneten nach nur wenigen Monaten untereinander heillos zerstritten. Und die Fraktionen bluteten aus. Nach einer in den 90er-Jahren veröffentlichten Studie zum Verhalten von Vertretern rechtsradikaler Parteien und Gruppierungen in den kommunalen Parlamenten in Hessen seien die Abgeordneten gerade der NPD zudem „extrem antragsfaul“ gewesen. In Frankfurt etwa überlebte die 1989 zunächst mit sieben Abgeordneten in den Römer eingezogene Fraktion der NPD nicht einmal die Wahlperiode; schon 1991 kam die Spaltung. Zur Kommunalwahl 1993 trat die NPD nicht mehr an. Ähnlich schmierten die Rechtsradikalen in anderen Kommunalparlamenten ab; auch weil die Etablierten in der Regel die gebotene Distanz wahrten. Die Lokalpresse schwieg die Braunen häufig tot.
Die am 28. November 1964 in Hannover gegründete NPD war ursprünglich ein Auffangbecken für die Mitglieder der 1952 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Sozialistischen Reichspartei (SRP), die sich als Nachfolgeorganisation der NSDAP verstand. Andere Gründungsmitglieder kamen vom „Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ oder der „Deutschen Partei“. Mit der Parole „Dreigeteilt niemals!“ machte die NPD Ende der 60er-Jahre gegen die neue Ostpolitik der sozialliberalen Bundesregierung Front; und die Partei hetzte in ihrem Kampfblatt Nationalzeitung gegen die Studentenbewegung und deren Protagonisten. Damals und auch in den Siebzigerjahren hatte es die NPD auch schon auf den Straßen schwer: ihre Kundgebungen und ihre Demonstrationszüge stießen jeweils auf weit überlegene Antifa-Demonstranten. Nicht selten waren Straßenschlachten die Folge. Zwischen 1965 und 1969 gelang der Partei der Sprung in gleich sieben von elf Landtagen. 1969 verfehlte die Partei mit 4,3 Prozent nur knapp den Einzug in den Bundestag.
Danach ging es dann rasch bergab. CDU und CSU vertraten als Oppositionsparteien im Bundestag in der Ostpolitik nun selbst rechte Positionen. Und als 1983 Helmut Kohl Kanzler wurde und der Rechtsaußen der CSU, Friedrich Zimmermann, sein Innenminister, kam der NPD auch das Monopol auf eine ausländerfeindliche Gesinnung abhanden. Die Union machte Front gegen die Zuwanderung; und die NPD erodierte. 28.000 Mitglieder hatte die NPD 1969; 1980 waren es nur noch knapp 5.000. Der Tiefstand war 1995 erreicht: 2.800 Mitglieder, laut Verfassungsschutzbericht (Niedersachsen).
Seit 1996, unter dem Vorsitzenden Udo Voigt, geriert sich die NPD mehr und mehr als nationale Protestpartei für die „kleinen Leute“ und als Sammelbecken für neonazistische Splittergruppen auch aus der Skinheadszene. Den größten propagandistischen Erfolg verzeichnete die NPD 2003 mit dem von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) angestrebten, letztendlich aber gescheiterten Verbot der Partei. Jetzt schwimmt sie mit auf der Protestwelle gegen Hartz IV. Doch auf eines kann man sich wohl verlassen: Im Landtag in Dresden werden sich die Braunen wieder selbst bekriegen, die unsinnigsten Anträge stellen und ihre Wählerinnen und Wähler ärger enttäuschen als jede etablierte Partei bislang.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT