: Galaktisches Mobbing
Nach nur drei Spieltagen wirft José Antonio Camacho als Trainer bei Real Madrid hin, weil auch er den Individualismus der Stars nicht zügeln konnte. Sein Fazit: „Die Spieler ziehen nicht mit“
AUS MADRID REINER WANDLER
Was der große Vereinsvorsitzende zu hören bekam, als am Sonntagnachmittag sein Handy klingelte, war kurz, aber deutlich: „Präsi, ich schaff das nicht“, gestand José Antonio Camacho, der Trainer von Real Madrid, seinem Boss Florentino Pérez. „Ich hatte meine Vorstellungen, aber die lassen sich nicht erfüllen“, erklärte Camacho – und kündigte seine Entscheidung an, den Trainerposten niederzulegen. Nach der 0:3-Niederlage zum Auftakt der Champions League in Leverkusen und dem verlorenen Ligaspiel am Samstag gegen Espanyol Barcelona scheint der 49-jährige Coach mit seinem Fußballlatein am Ende. „Real ist nicht mehr so, wie ich es einst kannte“, beendete Camacho das Telefonat. Es war der Schlusspunkt unter der Chronik eines angekündigten Scheiterns.
Dabei begann alles so voller Optimismus: Eine Elf, die „nicht aufzuhalten ist“, wollte der Trainer, der die Weißen nach einer ziemlich erfolglosen Saison übernahm, zusammenschweißen. Und die Vorstellung Camachos von der künftigen Spieltaktik klang so einfach wie vielversprechend: schnelle Ballkontakte, gezielte Pässe, sich freilaufen. Warum sollte dies nicht funktionieren? Schließlich hatte Camacho in der vergangenen Saison mit dieser Philosophie beim portugiesischen Benfica Erfolg gehabt – er führte den Club aus Lissabon nach einer jahrelangen Krise zum Pokalsieg.
Doch der einstige spanische Rekordnationalspieler hatte seine Rechnung ohne die Befindlichkeiten der Fußballmillionäre von Real gemacht. Die „Galaktischen“ wollen sich nicht ins Handwerk reden lassen. „Wenn das so weiter geht, muss bald jeder mit seinem eigenen Ball spielen“, kritisierte der Coach schon bald den nicht zu bändigenden Individualismus seiner Spieler. Diese dankten ihm die Kritik mit offener Ablehnung und mit gezielten Indiskretionen aus den Trainingsgesprächen an die Presse.
Jeder der Superstars hatte seinen speziellen Grund, warum er Camacho nicht länger auf der Trainerbank sehen wollte: Zinedine Zidane verübelte dem Coach die regelmäßigen Anspielungen auf sein „filigranes Spiel ohne erfolgreichen Abschluss“. Morientes und Guti hatten Camacho nie verziehen, dass sie ihren Platz mit dem Neuzugang, dem Engländer Michael Owen, teilen müssen. David Beckham und Raúl fanden sich nur schwer damit ab, dass auch sie einmal auf der Bank sitzen müssen. Wie wenig Autorität Camacho trotz so mancher lauter Worte nur noch genoss, zeigte sich beim Spiel gegen Leverkusen: Ronaldo, Zidane und Luis Figo gingen nach ihrer Auswechslung direkt von der Dusche zum Mannschaftsbus, ohne auf den Schlusspfiff zu warten.
„Ich stehe alleine da. Die Spieler ziehen nicht mit“, resümiert Camacho nun die tiefe Krise zwischen ihm und den „Galaktischen“. Die spanische Sportzeitung AS schreibt gar von einem „Kulturschock“ zwischen dem bodenständigen Haudegen Camacho und den Sunnyboys im weißen Trikot, die mittlerweile mehr durch ihr Nacht- und Liebesleben als durch ihre Spielkunst von sich reden machen.
Es ist freilich nicht das erste Mal, dass Camacho vorzeitig die Trainerbank verlässt. 1998 übernahm er Real Madrid aus den Händen von Jupp Heynckes, der mit den Weißen die Champions League gewonnen hatte. Ganze 23 Tage hielt Camacho durch. Dann warf er das Handtuch noch in der Vorrunde. Ihm missfiel der technische Stab, den die Vereinsführung zusammengestellt hatte. Auch als spanischer Nationaltrainer schmiss Camacho vorzeitig hin, als die Seinen bei der WM 2002 gegen Gastgeber Südkorea verloren.
Heute Abend, beim vierten Spieltag der Primera División gegen Osasuna aus Pamplona, wird Camachos rechte Hand Mariano García Remón auf der Trainerbank sitzen. Gut möglich, dass es dabei erst einmal bleibt. Derweil spekuliert die spanische Presse über einen neuen Coach. Der Name von Ottmar Hitzfeld wird dabei ebenso genannt wie der des Nationaltrainers aus Portugal, Luis Felipe Scolari, oder dem aus England, Sven Goran Eriksson.