: Mehr Moor
Ein regionales Netzwerk in Brasilien, luxuriöse Lodges am Trekkingpfad in Peru und eine Schweizer Biosphäre sind Gewinner des ToDo! 2008
VON GÜNTER ERMLICH
Und die Gewinner sind: das Regional-Netzwerk Rede Tucum aus Brasilien, die Mountain Lodges in Peru und die Unesco Biosphäre Entlebuch aus der Schweiz. Sie wurden auf der Internationalen Tourismus Börse (ITB) in Berlin gleichrangig mit dem „ToDo! 2008“-Preis ausgezeichnet. Schon seit 1995 veranstaltet der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung diesen internationalen ToDo!-Wettbewerb für sozialverantwortlichen Tourismus.
Teilgenommen haben 27 Projekte aus 21 Ländern. Seit Beginn des Wettbewerbs kommen „mehr als 80 Prozent aller Preisträger und fast zwei Drittel der Projekteinreichungen aus Entwicklungs- und Schwellenländern“, erklärte die Studienkreis-Geschäftsführerin Wibke Reger. Am ToDo!-Wettbewerb können nur „tourismusrelevante Projekte und Maßnahmen“ teilnehmen, die bereits am Markt eingeführt und erfolgreich sind. Die Kriterien sind streng, Schlüsselkriterium ist die Partizipation der ortsansässigen Bevölkerung am Tourismusgeschehen.
Rede Tucum ist ein Netzwerk von zwölf Gemeinden (meist Fischerdörfer) und Initiativen bei Fortaleza an der Küste von Nordbrasilien. Das Netzwerk für lokale Entwicklung entstand „aus Abwehrkämpfen gegen Bau- und Bodenspekulanten“, die über die Köpfe der Einheimischen hinweg und teilweise mit gefälschten Grundstückspapieren versuchten, unberührte Strandabschnitte mit Resorts zu „entwickeln“. Dagegen setzt Rede Tucum mit dem Turismo comunitário eine Strategie, „die steigende touristische Nachfrage auf kommunaler Basis selbstbestimmt zu steuern“ (Preisbegründung). Der Tourismus wird in Dorfgemeinschaften organisiert und in der Region vernetzt. Rede Tucum versucht, ein möglichst umfassendes touristisches Angebot zu schaffen, damit Arbeitsplätze entstehen, die Jugend eine Perspektive erhält, sich die Abhängigkeit von der Fischerei verringert und die Einnahmen im Dorf bleiben.
Hinter dem Preisträger Mountain Lodges of Peru (MLP) verbergen sich vier luxuriöse Lodges, die am Trekkingpfad von Cusco nach Machu Picchu liegen (Salkantay Route). Der Lodges-Betreiber, ein Familienunternehmen, will mit diesem touristischen Produkt vor allem dazu beitragen, die Armut in der abgelegenen Region zu lindern, indem er für die Einheimischen Arbeitsplätze im Tourismus schafft und ihnen neue Einkunftsquellen erschließt. Daneben legt MLP mit dem Projekt Wert darauf, dass die lokale kulturelle Identität der Menschen und die Lebensform der Andenkultur erhalten bleibt. Das Unternehmen finanziert auch überwiegend die eigens gegründete gemeinnützige Organisation, Yanapana Peru, die lokale Kleinunternehmer und Partner berät und fortbildet.
Die Unesco Biosphäre Entlebuch (UBE) im Schweizer Kanton Luzern ist in dreifacher Hinsicht ein „Exot“. Erstens, weil nach neun Jahren wieder ein Projekt aus Europa prämiert wurde; zweitens, weil ein Biosphärenreservat ausgezeichnet wurde; und drittens, weil die Biosphäre (die Einheimischen mögen das Wort Reservat nicht) von unten, „durch die Einbeziehung und Entscheidung seiner Bewohner ins Leben gerufen wurde“ (Preisbegründung). UBE beruht auf einer Volksabstimmung, der „Moorschutzinitiative“. Dadurch geriet die Hälfte der Gemarkung unter nationalen Naturschutz – für viele Menschen im strukturschwachen Entlebuch eine existenzielle Bedrohung. Doch das Konzept des Ausgleichs von Mensch und Natur überwand alle Gräben. Inzwischen gilt das Entlebucher Modell als erfolgreiche touristische Marke. Landwirte bewirtschaften Käsereien, Kräuterbauern beliefern Restaurants, Gastronomen tischen lokale Produkte auf: „Darf es etwas Moor sein?“ Alles dreht sich ums Moor, alle Beteiligten gehen mit dem besonderen Faustpfand der Region touristisch hausieren.
Infos: www.mountainlodgesofperu.org, www.studienkreis.org, www.biosphaere.ch, en.tucum.org, www.to-do-contest. org