: Die Metzger kämpfen ums Überleben
Verbraucher haben BSE zwar vergessen, kaufen nun aber Billigfleisch in Discountern. 600 Fleischereien schließen
FRANKFURT/M. taz ■ Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Auch deshalb blickt der Präsident des Deutschen Fleischerverbandes (DFV), Manfred Rycken, noch immer optimistisch in die Zukunft. Dabei sind die Umsatzzahlen seiner Branche seit Jahren rückläufig. Die knapp 19.000 Fleischerfachgeschäfte in Deutschland erwirtschafteten 2002 exakt 16,1 Milliarden Euro. Das sind 7 Prozent weniger als 2001. Im laufenden Geschäftsjahr setzt sich der Abwärtstrend fort: minus 6,1 Prozent im ersten Halbjahr. „Die Lage ist alles andere als rosig“, konstatierte denn auch der oberste Metzgermeister der Republik auf der Jahrespressekonferenz des Verbandes gestern in Frankfurt.
Doch nur jammern und sein Schicksal und das der Branche beklagen, in der noch knapp 170.000 Menschen arbeiten (minus vier Prozent), wollte Verbandspräsident Rycken nicht. Auch „das Positive“ müsse herausgearbeitet werden. Zum Beispiel, dass das Thema BSE „inzwischen erledigt“ sei. Zwar sei der Rindfleischumsatz noch nicht wieder auf „Vorkrisenniveau“ angelangt, doch der Abwärtstrend längst gestoppt. In den Metzgereien jedenfalls werde kaum noch danach gefragt, ob die geschlachteten Tiere, deren Fleisch in den Fachgeschäften angeboten werde, auf BSE untersucht worden seien. Dass die Krise überwunden sei, machte Rycken auch am dramatischen Rückgang des Geflügelfleischverkaufs fest (minus 5,4 Prozent). In den letzten Jahren nämlich seien die Verbraucher wegen BSE von Rind- auf Geflügelfleisch umgestiegen. Jetzt kehre sich der Trend wieder um.
Große Sorge macht dem Verbandspräsidenten dagegen die „permanente Verschiebung der Nachfrage hin zu billigen Produkten und Vertriebslinien“. Immer öfter nämlich griffen die Verbraucher zu in Folie eingeschweißten Fleischprodukten in den Regalen der Supermärkte und neuerdings auch der Discounter. In dieser Form wurden 2002 erstmals mehr Fleischerzeugnisse verkauft als über die Bedienungstheken der Metzgereien und der Supermärkte zusammen. Für Rycken ein „Ausdruck des Zeitgeistes“. Die Deutschen seien ein „Volk von Schnäppchenjägern“ geworden. Rund 600 Fleischereien mussten auch deshalb 2002 schließen.
Dass auch in den Metzgereien immer mehr Hackfleisch gekauft werde, lege zudem den Schluss nahe, dass kaum noch ein Verbraucher „wirklich richtig kochen“ könne. Der Braten sei zwar schon lange „out“. Doch in Deutschland mangele es aktuell überall eklatant an Esskultur, schimpfte Rycken, der im Anschluss an die Pressekonferenz die „ahle Worscht“ aus Niederhessen pries, die „in ihrem dickwandigen Fettdarm auch bei monatelanger Reife mürbe bleibt und auf der Zunge zergeht“.
Die Initiative von Bundesverbraucherministerin Renate Künast für eine gesunde Ernährung und für mehr Verbraucheraufklärung auch schon in der Schule wurde dann am „Hessenbüffet“ auch von Hauptgeschäftsführer Ingolf Jakobi „auf das Schärfste“ begrüßt. Die Metzgereien suchen übrigens bundesweit noch Auszubildende. Jetzt mit einer neuen Kampagne: „Going future … mit einer Berufsausbildung im Fleischerhandwerk.“
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen