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Archiv-Artikel

Protest und Tränen wegen „Bild“

Unter dem Titel „Rattenkinder“ hat das Blatt Fotos von Bremer Kindern gedruckt. Jetzt soll es Entschädigung geben: Betroffene und Politiker rückten der Redaktion zu Leibe

Von ede

bremen taz ■ Wo Tränen fließen und die Großen die Kleinen jagen, ist Bild gern dabei. Zu Wochenbeginn aber hat Bild selbst die Kleinsten gejagt: Unter dem Titel „Rattenkinder“ hat die Bremer Redaktion Kinder zwischen sieben und elf Jahren abgelichtet. Pökse aus dem Stadtteil Walle, deren Fotos einen „Text über einen Stadtteil am Untergehen, Müll und Alkohol“ bebildern – so schimpft Ortsamtsleiter Hans-Peter Mester.

Schon war die SPD-Sozialsenatorin im Stadtteil, um zu zeigen: „Wir lassen Euch in dieser Lage nicht alleine.“ Sie blieb dabei: Mit den Müttern, den Kindern, dem Schuldirektor und PolitikerInnen aller Parteien zog sie gestern zur Bremer Bild-Redaktion. „Sowas darf man sich nicht gefallen lassen“, waren alle einig. Der Ortsamtsleiter sagt: „Die Bild-Zeitung sollte weniger über die alte Rechtschreibung nachdenken – und mehr über den eigenen Stil.“ Den nennt der Sozialarbeiter im städtischen Spielhaus vor Ort „ganz gemein“.

Bei ihm saßen am Montag die Mütter und Kinder – teils unter Tränen. Seine Vermutung: „Der Fotograf hat die Kinder abgegriffen und in irgendeinen Hauseingang zu irgendwelchem Müll gestellt.“ Niemand habe geahnt, worum es bei der Geschichte offenbar gehen sollte – um die Diffamierung eines Stadtteils und besonders einer Straße, in der Familien wohnen, die woanders nichts Besseres finden würden – wenn sie suchten.

„Wir wohnen gerne hier“, sagt nämlich Simone Strauch. Die alleinerziehende Mutter hatte selbst mit dem Bild-Reporter gesprochen. „Ganz kurz nur. Der hat gesagt, es geht um Hartz“, erinnert sie sich. Und dass sie ihm gesagt hat, in ihrer Straße würden die Mütter wie Pech und Schwefel zusammenhalten. „Da hat er mich richtig zitiert“, sagt sie jetzt. Und weil es bei den Fotos die Kinder „von Anja und Marita“ getroffen hat, ist sie umso zorniger.

Da hilft es kaum, dass der Sozialarbeiter berichten kann: „Der Verfasser dieses Artikels hat hier angerufen und mordsmäßig kleine Brötchen gebacken. Die Überschrift hat er nicht gemacht.“

„Saumäßig schlecht“ sei die gewesen, hieß es gestern, nachdem protestierende PolitikerInnen und Betroffene die Bild-Redaktion wieder verlassen hatten. Das hätten die Verantwortlichen eingeräumt – und Entschädigung versprochen: Das Spielhaus, wo die verunglimpften Kinder täglich spielen, soll eine vierstellige Summe bekommen. Und auch mit dem Vater der Kinder werde über Entschädigung verhandelt. „Die haben begriffen, dass sie rechtlich schlecht dastehen“, heißt es. „Mit Reue hat das wohl wenig zu tun.“ ede