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Archiv-Artikel

Gewerkschafter in der Politikarena

betr.: „Sackgasse Linkspartei“ von Jupp Legrand, taz vom 14. 9. 04

Der Kommentar ist gespickt mit Floskeln wie: Wer als Gewerkschaftsvertreter eine dezidierte politische Richtung unterstützt, entfernt sich von der breiten Mitgliedschaft, Wahlalternative führt zurück in die Siebzigerjahre mit Konzepten von gestern für Fragen von morgen … Dabei übergeht der Autor Wesentliches: In den Gewerkschaften sind 70 bis 80 Prozent der hauptamtlichen Funktionäre Mitglieder der SPD. Damit ist die parteipolitische Abhängigkeit deutlich dokumentiert.

Der derzeitige „Reformkurs“ der rot-grünen Bundesregierung ist die Weiterführung der Politik der Regierung Kohl. Alle Statistiken, ob vom Statistischen Bundesamt, von der EU oder IWF, belegen die Einkommenszunahme der Reichen und die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten. Die Schröder-SPD hat dies zu verantworten und braucht sich nicht wundern, wenn ihr die Wähler davonlaufen und nach Alternativen suchen. Die Gewerkschaften werden erst dann glaubwürdig und unabhängig, wenn ihre Funktionäre ihre SPD-Parteibücher zurückgeben. BERNHARDT FAASSIG-Metall-Mitglied, Straubenhardt- Feldrennach

Die Aussagen zur Bedeutung von Gewerkschaften und der Notwendigkeit, offen zu sein für viele politische Strömungen, teile ich voll. Aber die Wahlalternative ist keine Gewerkschaftspartei. Genauso wenig wie die SPD eine Gewerkschaftspartei ist. Aber es gibt Überlappungen, was bei den Zielsetzungen auch nicht verwundern kann. Die Sozialdemokratie hat sich in Deutschland aber so weit von den Menschen entfernt, dass viele in Frustration sich von den demokratischen Möglichkeiten abwenden. Eine Opposition innerhalb der SPD gibt es nicht mehr. Also muss eine Alternative mitten im demokratischen Spektrum her. Das kann und soll die Wahlalternative sein. Wen kann es da ernsthaft wundern, dass viele Gewerkschafter hier Sympathien verspüren. EDMOND E. WORGUL, Calberlah

In einer völligen Verkennung der realen Möglichkeiten, die zur Umsetzung arbeitnehmerorientierter Positionen bei einer Beschränkung auf das betriebliche Handlungsfeld überhaupt noch bestehen, schlägt Jupp Legrand vor, einen „Platz in der gesellschaftlichen Mitte“ zu festigen. Also dort, wo sich derzeit alle Parteien um die „neue Mitte“ drängeln, mit dem bekannten Ergebnis, dass wir heute in den Parlamenten einer einheitlichen neoliberalen Parteienlandschaft gegenüberstehen.

Den Gewerkschaften bleibt doch gar keine Alternative mehr, als selbst in die politische Arena zu steigen, weil nur dort sowie in der Auseinandersetzung im parlamentarischen Vorfeld (Stichwort „neue soziale Bewegungen“) noch Handlungsspielräume geschaffen werden können. Deshalb hat auch die Strategie einer Parteineugründung mit den „Konzepten von gestern“ (als ob nicht die „neuen“ Konzepte schon 200 Jahre alt wären) überhaupt nichts zu tun.

Dies bedeutet einerseits zwangsläufig die Ablösung von tradierten Verbindungen zu den herkömmlichen Parteien und eine Hinwendung zu eigenen politischen Konstellationen. Andererseits bedeutet dies aber auch die Abkehr von der deutschen Einheitsgewerkschaft und die Entwicklung mobilisierungsstärkerer Tendenzgewerkschaften, so wie dies auch bei unseren europäischen Nachbarn seit je praktizierte Normalität ist. GEROLD SCHWARZ, Hamburg