: Sächsischer Wahlsieger ohne sicheren Job
Thomas Jurk ist SPD-Chef. Als Favorit für hohe Posten in der großen Koalition aber gilt ein anderer: Wolfgang Tiefensee
Ob er in einer wahrscheinlichen schwarz-roten Koalition in Sachsen auf ein Ministeramt spekuliere, wurde SPD-Spitzenkandidat Thomas Jurk nach der Landesvorstandssitzung am Montagabend gefragt. Sein Verweis auf die Nachrangigkeit von Personalfragen bei den anstehenden Gesprächen klang nicht so, als sei er von Ehrgeiz zerfressen.
Ein Streber war der zwar physisch bullig erscheinende, von Gemüt aber sehr verträgliche Jurk noch nie. Halb zog ihn Vorgänger Karl-Heinz Kunckel, halb sank er hin auf den Stuhl des Fraktionsvorsitzenden im Wahljahr 1999, als die Sachsen-Sozis auf 10,7 Prozent einbrachen. Auch dem Machtkampf mit der bisherigen Landeschefin Constanze Krehl stellte er sich im Juni dieses Jahres auf dem SPD-Parteitag eher unfreiwillig.
Seither aber wurden die Wahlplakate allein mit seinem freundlichen Kahlschädel bedruckt. Und Jurk versuchte, für die Mini-SPD in Sachsen zu retten, was noch zu retten war. Das befürchtete einstellige Ergebnis knapp vor der NPD konnte er zwar nicht verhindern. Doch im Juni hatte es durchaus Befürchtungen gegeben, die sächsische SPD könnte im Zweifrontenkrieg gegen die Bundespolitik und die eigene Zerstrittenheit noch weit schlimmer einbrechen. Unter Jurk aber gab es mehr Geschlossenheit. Von Berlin konnte er sich ein wenig absetzen, mit sächsischen Themen wie der Bildungspolitik vorsichtig punkten.
Ehe Jurk als Integrator und als Allround-Spitzenkandidat gefragt war, trat er im Landtag als Finanzpolitiker in Erscheinung. Bezüge zu seinem früheren Beruf gibt es insofern, als er sozusagen ein gelernter Bastler ist. Funkmechaniker war in der DDR ein gefragter Beruf mit mancher Nebenerwerbsmöglichkeit.
SPD-Mitglied der ersten Stunde, engagierte sich Jurk auch kommunal in seiner Heimatregion um Weißwasser in der Lausitz. Eine Gegend weitab der „Leuchttürme“, die Engagement nötig hat. Nachdem die SPD in Sachsen aussichtslos in die Defensive geraten zu sein schien, winkt nun plötzlich die jahrelang ersehnte Regierungsbeteiligung – ausgerechnet im Jahr des schlechtesten SPD-Landtagswahlergebnisses aller Zeiten. Ob es ihr personell und angesichts völlig konträrer Wahlziele gelingen kann, die machtgewohnte CDU zu domestizieren, scheint fraglich.
Jurk selbst könnte dabei wieder in die zweite Reihe zurücktreten. Die Verhandlungskommission wird von ihm und einem Herrn namens Wolfgang Tiefensee geleitet. Der bundesweit bekannte Leipziger OB hat die gescheiterte Olympiabewerbung abgehakt. Als ein nicht durch Wahlkämpfe verschlissener Joker könnte er plötzlich doch noch aus der Tiefe auftauchen und Vizeministerpräsident werden. Für Jurk bliebe mit dem Fraktionsvorsitz wie bisher ein Amt, das ihn nicht überfordert und in dem er sich wahrscheinlich am wohlsten fühlt. Gehässige CDUler wollten sich schon die Hände reiben, wenn er als Innenminister etwa die leidige Polizei- oder Gebietsreform durchziehen müsste. MICHAEL BARTSCH