: Die Hälfte kann mit Zahlen umgehen
Eine Studie an vier Berliner Hauptschulen ergab: Jeder zweite Schüler kann nicht rechnen. Ist das nun viel oder wenig?
Ist 50 größer als erwartet? Das ist die Aufgabe, die nun Wissenschaftler, Lehrer und Politiker beantworten sollten. Denn 50 Prozent der Hauptschüler können kaum rechnen. Das ergab eine Untersuchung des Zentrums zur Therapie der Rechenschwäche an 240 Siebtklässlern von vier Berliner Hauptschulen.
„Dieses Ergebnis hat uns völlig von den Socken gehauen“, meint Rudolf Wienecke, wissenschaftlicher Leiter des Instituts. „Diese 50 Prozent können ja nicht nur schlecht rechnen. Die leiden im engeren Sinne an Dyskalkulie, einer krankhaften Rechenschwäche.“ Vielen fehle völlig das Verständnis für die Grundrechenarten – selbst im zweistelligen Bereich. „Die Rechnung ‚21 minus 19‘ schreiben die untereinander und bekommen oft noch 18 raus“, sagt Wieneke. Nicht so überrascht waren die Fachlehrer an den Berliner Hauptschulen. Ihnen ist das Ausmaß der Probleme schon bekannt gewesen. „Ich habe neunzehn Schüler in der Klasse, davon haben zwölf keinen Zahlenbegriff“, sagt Eva Schmoll, die eine siebte Klasse in Mathematik an der Lichterfelder Nikolaus-August-Otto-Oberschule unterrichtet. „Wir müssen jetzt wieder anfangen Plättchen zu legen.“ Die Schwierigkeit liegt ihrer Meinung nach darin, das so zu transportieren, „dass es auf die Jugendlichen nicht lächerlich wirkt“. Schulbücher und vorgefertigte Übungsblätter kommen oft nicht in Frage: Entweder sind die Aufgaben zu schwer oder in zu kindlicher Form gestellt. Schmoll ist jedenfalls froh, dass die Probleme nun öffentlichkeitswirksam nachgewiesen wurden. „Ich habe anfangs gedacht ich spinne, ich seh das völlig falsch.“
Wenig Überraschung zeigte man auch bei der Senatsbildungsverwaltung. „Das Ergebnis hat uns nicht umgehauen“, meint die Sprecherin Rita Hermanns. „Wir sind schließlich Realisten. In der Hauptschule finden Sie eben die elf Prozent Leistungsschwächsten eines Jahrgangs.“ Das neue Schulgesetz ermögliche es jedoch, Schüler individueller zu fördern.
MIRJAM DOLDERER