Sachsens Schulen – ein Nazihort

Auf einmal entdecken sächsische Politiker überall Versäumnisse in der Jugendarbeit. Polizisten und Externe sollen nun an den Schulen aufklären. Bislang sichert nur der Bund Projekte gegen rechts

Die sächsischen Schulen sind Brutstätten nationaler Gesinnung

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

„Wir müssen etwas tun an den Schulen“, sagt Thomas Colditz, schulpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen. Colditz denkt an mehr aufklärerische Inhalte in den Lehrplänen, aber auch an den Einsatz externer Berater und bereits tätiger Initiativen. Auch der noch amtierende Innenminister Horst Rasch kündigte an, die präventive Polizeiarbeit an den Schulen zu verdoppeln.

Nach dem Wahlschock vom letzten Sonntag – die NPD erhielt rund 10 Prozent der Stimmen – hat auch bei der CDU ein spätes Erwachen eingesetzt. Der frühere Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hielt die braven Sachsen für immun gegen Rechtsextremismus. Sein Nachfolger Georg Milbradt glaubte noch vier Wochen vor der Wahl nicht an einen Erfolg der Neonazis.

Mittlerweile haben Schüler eines Berufsschulzentrums unweit der Landeshauptstadt keine Skrupel mehr, sich vor laufender Kamera über den NPD-Erfolg zu freuen. „Den Ausländern geht es zu gut hier“, äußern auch Mädchen. Nicht von ungefähr zielte eine CD-Aktion der NPD auf die Schulhöfe. Eine entschärfte Version der CD mit nazistischen Liedern musste nach der Prüfung durch den Staatsschutz schließlich freigegeben werden. Schulen als Brutstätten nationalistischer Gesinnung sind bislang deutlich unterschätzt worden. Aber auch freie Initiativen gegen rechts hat der Freistaat bislang nicht eben üppig unterstützt.

Jetzt hat die Staatskanzlei das Sozialministerium um einen Bericht über bisherige Maßnahmen der Jugendhilfe und um neue Vorschläge gebeten. Dem Antwortschreiben ist zu entnehmen, dass außer einer allgemeinen Unterstützung über die Jugendhilfepauschale der Landkreise kaum Zählbares bleibt. Landesmittel in Höhe von 150.000 Euro erhielt lediglich das Modellprogramm „Sächsische Jugend für Demokratie“ der Kinder- und Jugendstiftung. Lediglich die Bundesprogramme „Entimon“, „Civitas“ und „Xenos“ liefern in nennenswertem Umfang Gelder gegen rechts.

Was ihre Unterstützung bewirken kann, ist an den Mobilen Beratungsteams, der Opferhilfe „Amal“ oder der „Aktion Zivilcourage“ in Pirna abzulesen (taz berichtete). 80.000 Euro bekommen die Pirnaer jährlich. Mit zwei festen Stellen und ausreichend Sachmitteln können sie beträchtlich zum Aufbau einer positiven Gegenkultur beitragen.

Sachsen hat sich an den Programmen nicht beteiligt. Sozialministerin Helma Orosz (CDU) forderte stattdessen den Bund auf, die Projekte fortzuführen.

Die Bundesregierung aber darf Modelle nur drei Jahre im Anschub finanzieren. Danach muss haushaltsrechtlich eine Degression einsetzen. So sind die Mittel für die Ostländer in diesem Jahr schon von 10 auf 9 Mio. Euro gesenkt worden. An einer Regelfinanzierung wird in Berlin vor allem bei den Grünen gearbeitet. Nach dem Verlust der absoluten CDU-Mehrheit dürfte der Druck auf eine Landesbeteiligung auch in Sachsen wachsen. Die PDS-Landtagsfraktion kündigte bereits an, alle ihre von der CDU stets abgelehnten Anträge erneut einzubringen. Appelle allein werden das Problem einer braunen Jugendbewegung nicht lösen. Im „Netzwerk Tolerantes Sachsen“ ist man gespannt, wie lange das Thema überhaupt Konjunktur hat.