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Archiv-Artikel

Wo schlägt Rieger als nächstes zu?Hotel am Stadtpark, Delmenhorst

Heute beginnt der Abriss des „Hotels am Stadtpark“ in Delmenhorst. Die Stadt hatte mit drei Millionen Euro für die Immobilie tief in die Tasche gegriffen, um einen Kauf durch den Hamburger Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger zu verhindern. Doch was in Delmenhorst war, kann leicht auch woanders passieren. Die taz nord zeigt zum Verkauf stehende oder wankende Immobilien, an denen Rieger interessiert sein könnte, und fordert: Abriss sofort!

Nach einer einwöchigen Verzögerung, die einer fehlenden Transportgenehmigung für einen Spezialbagger geschuldet war, beginnen heute die Abrissarbeiten des Hotels „Am Stadtpark“ in Delmenhorst. „Um neun Uhr wird der Schriftzug angeknabbert“, bestätigt Stefan Ludwig von der Gemeinnützigen Siedlungsgemeinschaft Delmenhorst, die für die Abrissarbeiten zuständig ist, entsprechende Meldungen auf der städtischen Homepage. Im August 2006 hatte der damalige Besitzer der Immobilie, der Hotelier Günter Mergel, angekündigt, er werde sein Haus an den Nazi-Anwalt Jürgen Rieger verkaufen. „Ich verkaufe an jeden“, sagte Mergel damals. Rieger kündigte an, er wolle in dem Hotel ein Schulungszentrum betreiben. Der Aufschrei war groß, eine Bürgerinitiative gründete sich und sammelte Geld, um ein alternatives Kaufangebot vorlegen zu können. Obwohl der Verfassungsschutz davon ausging, dass Riegers Interesse an dem Hotel fingiert war, kauften die Stadt Delmenhorst und private Sponsoren die marode Immobilie im Dezember 2006 für drei Millionen Euro, weit über ihrem Verkehrswert. Das Hotel wird nun abgerissen, weil sich für das Grundstück außer Rieger kein Interessent finden wollte. „Der Zustand des Gebäudes und seine Baustruktur“ würden die Suche erschweren, erklärte Stadtsprecher Timo Frers. Der Abriss soll etwa 300.000 Euro kosten. Im April werde dann entschieden, wie es mit dem Grundstück weitergeht. TAZ /DPA

Neues Rathaus, Braunschweig

Privatisierungsorgien feiert der Braunschweiger Oberbürgermeister Gert Hoffmann, der beizeiten von der NPD in die CDU gewechselt war, schon lange: Stadtreinigung, Abwasser, kommunale Gebäudewirtschaft – alles wird vertickt. Selbst die Aufgaben des Kämmerers übernehmen größtenteils die Wirtschaftsberater der KPMG. Nur wird es allmählich schwer, diese konsequente Politik weiterzuführen – mangels veräußerlichen Vermögens. Aber: Da ist ja noch das Neue Rathaus! Und in der Tat wird momentan schon der Umzug von Teilen der Verwaltung vorbereitet, in frisch angemietete Postgebäude – und jeder ahnt: Das ist nur eine Generalprobe. Denn sicher wird Hoffmann schon bald wieder einen Investor aus dem Hut zaubern, der den ganzen Kasten erwirbt. Wahrscheinlich über irgendeine Hamburger Anwaltskanzlei, deren Inhaber Gert Hoffmann noch vom Studium her kennt … Oh Gott, das darf nicht wahr sein: Jürgen Rieger! Natürlich will der in jenen Amtsstuben, in denen Adolf Hitler 1932 die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt, den genius loci für seine Funktionärskader-Akademie nutzen. Die letzte Rettung ist die umgehende Sprengung des 1880 in neogotischem Plumpstil errichteten Bauwerks. Samt Turm, versteht sich! BES

Ehemaliges Wasserwerk, Bremen

Vor der Finanzkrise schien die Zukunft des alten Bremer Wasserwerks auf dem Stadtwerder geklärt. Das von Schiffsausstatter Johann Georg Poppe 1873 als Mittelding aus Turm und Bungalow konzipierte Gebäude prägt das linke Weserufer. Man sieht es von der Schlachte aus, man sieht es vom Weserstadion, man sieht es von überall. Einheimische nennen es „umgedrehte Kommode“. Und seit Oktober hat ein privater Investor die Schlüssel: Nach dreijährigem Ringen hatte er sich mit dem Denkmalschutz geeinigt. Der Umbau zum Restaurant könnte beginnen. Ob nun einfach die Kosten explodiert oder ob das nötige Vermögen aus Lehman-Zertifikaten bestand, wissen wir nicht. Aber dass keine Bautätigkeiten zu beobachten sind, das wissen wir sehr wohl. Und wenn nun der Frust so groß wäre, dass der Investor gar nichts mehr investieren will? Sondern weiterverkaufen? Wenn Jürgen Rieger ein Fanal zu setzen plant, dann stünde er da sofort auf der Matte. Denn wo, wenn nicht hier ließe sich eine Reichskriegsflagge von 40 Meter Höhe und 30 Metern Breite aufhängen? Eine Horrorvision! Bremen muss das verhindern. Und da hilft nur eins: Schleunigst abtragen. Stein für Stein. Bis nichts mehr an diesen Schandfleck erinnert. BES

Heilig-Geist-Kirche, Hohegeiß

Ein Überangebot an unattraktiven Immobilien zumal aus den Sechzigerjahren hat derzeit die katholische Kirche: So wird der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle wahrscheinlich schon bald mehr Kirchen in seinem kleinen Bistum profaniert haben, als Napoleon I. einst in ganz Europa. Seit Amtsantritt vor fünf Jahren waren es 14, eine Liste von weiteren 60 will er bis 2014 abarbeiten. Die werden dann verkauft. Nur an wen? Wer will die Hütten haben? Manchmal lässt sich die Kommune breitschlagen und richtet Kitas oder Altenpflegeheime in den zugigen Hallen ein. Aber längst nicht immer. Und der Druck, die massenhaften Sakralbauten zu versilbern, ist groß. Also erhalten ab und an auch mal ungenannte Privatinvestoren den Zuschlag. So wie schon im vergangenen Herbst bei Heilig Geist im Harzer Bergdorf Hohegeiß, das Adolf Hitler bereits am 24. März 1933 zum Ehrenbürger machte. Und wo Sonnwendfeier und Walpurgisnacht und andere germanische Rituale primstens zu begehen wären. Nein, nein, nein, niemals würde die katholische Kirche offen mit Holocaust-Leugnern und Nazis Handel treiben. Direkt an Jürgen Rieger oder die von ihm vertretenen Körperschaften zu verkaufen – das wird hier nicht in Frage kommen. Aber was, wenn der Bund für Gotterkenntnis in seinem Namen anklopft? Wie soll da ein armes Generalvikariat Verdacht schöpfen? Wie sich gegen diese Tricks wehren? Da gibt’s nur eins: Wie Delmenhorst handeln, heißt richtig handeln. BES

Finanzbehörde, Hamburg

Selten ist so solide gebaut worden wie im Fall der Hamburger Finanzbehörde. Ein Bollwerk aus Backstein hat Fritz Schumacher da errichtet, mitten in den fluiden Jahren der Inflation, als die Springflut des Geldes alles fortzureißen drohte. Leider ist die Lage der Finanzbehörde heute nur halb so stabil wie ihr Bau. Von der zentral gelegenen Baubehörde, einem ähnlich imposanten Schumacher-Gebäude, musste man sich schon im Dezember trennen, als die Krise noch in den Kinderschuhen steckte: Es verschwand im Hamburger Haushaltsloch, ohne auch nur Plop zu machen. Und jetzt, wo sich die Krise zum Riesen ausgewachsen hat: Na, keine Frage, als nächstes wird sich die Finanzbehörde von ihrem Stammsitz trennen und der Baubehörde hinterherziehen, in eine der billigen Schachteln am Stadtrand, die man dort so auf die Schnelle aufklappt. Und dann? Kommt Rieger und zieht ins Herz der Stadt. Ist er aber einmal drin, wird man ihn auf Ewigkeiten nicht mehr rausbekommen. Eine Handvoll wehrfähiger Jungnazis dürfte reichen, um die Festung der Ex-Finanzbehörde, ganze acht Jahre hat es mal gedauert, sie Stein um Stein zu fügen, gegen alle Angriffe zu verteidigen. Bleibt nur eine Lösung: Vorsorglich schleifen. MAP

Casino, Travemünde

Jürgen Rieger soll, so glaubt der Verfassungsschutz, über ein Millionenvermögen verfügen, das ihm verstorbene Altnazis hinterlassen haben. Damit zieht er herum und meldet hier und da Interesse an, und wenn die Lokalpolitiker panisch werden, freut er sich. Doch was, wenn sein Geldkoffer eines Tages leer ist? Was soll einer wie Rieger tun? Den ganzen Tag in seiner Kanzlei in Blankenese Däumchen drehen? Kommt nicht in Frage! Schlau wie er ist, wird sich der Hamburger NPD-Chef schon vorher eine neue Einnahmequelle sichern. Schon seit einem Jahr diskutierten die Politiker in Schleswig-Holstein, ob die fünf Landescasinos abgestoßen werden sollen. Die CDU ist dafür, die FDP auch, selbst die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di glaubt, dass die Arbeitnehmer privat besser dran wären. Nur die Sozialdemokraten wollen nicht so richtig, aber die sollen, geht es nach CDU und FDP, bei der nächsten Regierung sowieso nicht mehr dabei sein. Nach den Landtagswahlen 2010 müssten die Casinos von Schleswig-Holstein also zum Verkauf stehen – wenn nicht früher, denn Eigentümer der Spielbanken ist die fusionierte Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein, die finanzkrisengebeutelte HSH Nordbank. So ein Casino wäre eine hübsche Einnahmequelle. Jeden Abend könnte Rieger mit seinem Geldköfferchen vorbeikommen und, fiele seine Wahl auf Travemünde, in die Ostsee blinzeln, in Richtung der ehemals deutschen Gebiete auf der anderen Seite. WIE