: Hochschulen aller Länder, vereinheitlicht euch
Europas Bildungsminister diskutierten in Berlin über den „Bologna-Prozess“. Kritik an den Reformen gab es dagegen auf dem European Education Forum: Die Internationalisierung führt zur Reduzierung von Studierendenzahlen
„Bologna? Nie gehört“, sagt der junge Mann auf den Treppen der Humboldt-Universität. Dabei ist Jean-Phillip extra aus Frankreich gekommen, um sich am European Education Forum (EEF) zu beteiligen. Das EEF fand vor einem Monat parallel zu dem Gipfel der europäischen Bildungsminister in Berlin statt. Thema beider Veranstaltungen war der so genannte Bologna-Prozess, der die Bildung eines europäischen Hochschulraumes bis 2010 bezeichnet. Bis dahin sollen europaweit vergleichbare Bachelor- und Masterabschlüsse eingeführt worden sein (taz berichtete am 18. 9. 2003).
Während es beim Ministertreffen um die „Eckwerte einer grundlegenden und sehr tief greifenden Hochschulreform in allen beteiligten Ländern“ ging, so die deutsche Bildungsministerin Bulmahn, stand beim European Education Forum die Kritik der sich anbahnenden Entwicklung an. Schüler, Studenten und Lehrende organisierten das alternative Bildungsforum in der Humboldt-Universität Berlin. Auf über 50 Workshops und Podiumsdiskussionen wurde über Bologna und die europäische Bildungspolitik informiert und debattiert.
Viele EEF-Teilnehmer fürchten die Ökonomisierung des Bildungssystems durch Studiengebühren und die Konkurrenz privater Bildungsanbieter. Sybille Lustenberger, die den Workshop „Ökonomisierung & Bologna“ leitete, sieht eine Gefährdung wirtschaftskritischer Lehre und Forschung, wenn die Bildung zunehmend an ökonomischen Interessen ausgerichtet wird. „Bologna erzeugt Standards und Strukturen, die Bildung vergleich- und bewertbar machen“, sagt die Schweizerin, „damit wird Bildung aber auch immer mehr zur Ware.“
Sybille Lustenberger meint damit vor allem die so genannte Akkreditierung, das heißt die Zertifizierung eines Studienganges durch externe Agenturen. „Die Akkreditierung erfolgt nach Prüfung fachlich-inhaltlicher Mindeststandards und der Berufsrelevanz des zu vergebenden Abschlusses“, heißt es in den Bologna-Dokumenten. Eine Nichtakkreditierung könnte somit den Wegfall wirtschaftlich weniger interessanter Studiengänge bedeuten. Probleme mit den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen gibt es noch viele. Bei einem Wettbewerb des Stifterverbandes der Wirtschaft im Sommer gelang es zum Beispiel nicht einmal, wie geplant fünf reformierte Studiengänge auszuzeichnen. Von 91 in Deutschland bereits akkreditierten Bachelor- und Masterstudiengängen erfüllten nur vier die Anforderungen der Ausschreibung.
Sybille Lustenberger sieht auch Schwierigkeiten bei der Anerkennung von Studienleistungen. „Bei uns in der Schweiz sind die so genannten Eliteunis oft schon nicht bereit, Studis für einen Master aufzunehmen, die den Bachelor an einer anderen Uni gemacht haben.“ Man kann sich vorstellen, wie es Studenten aus Spanien oder Rumänien ergehen wird. Die größte Hürde bei der Mobilitätsförderung bleibt für Lustenberger aber das Geld. „Es scheitert oft an finanziellen Aspekten“, sagt die Ethnologiestudentin aus Bern. „Mit den momentanen Förderungen ist ein Auslandsaufenthalt kaum zu bezahlen, da brauchen wir europaweite Mobilitätsstipendien.“
In ihrer Berliner Erklärung betonten auch die Bildungsminister die Notwendigkeit einer besseren finanziellen Förderung und die „soziale Dimension“. Außerdem befürworteten sie eine „stärkere Beteiligung der Studierenden“ und schrieben die Bedeutung von Bildung als „öffentliches Gut“ fest. „Ein PR-Gag“, meint EEF-Sprecher René Schuijlenburg dazu. „Das Bachelor- und Mastersystem wird oft nur benutzt, um die Anzahl der Studenten zu verringern“, fürchtet Schuijlenburg. Wie die Erklärungen von Bologna und Berlin wirklich umgesetzt werden, wird die Zukunft zeigen: Der nächste Bildungsgipfel findet 2005 in Norwegen statt.