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Archiv-Artikel

Blair hofft auf Debatte über Hort-Plätze

Eine der zentralen Hürden für den britischen Premier auf dem Weg zu einer nächsten Amtszeit heißt Irak. Vor seiner Rede am kommenden Dienstag auf dem Parteitag der Labour Party in Brighton verteidigt er erneut die Entscheidung für den Krieg

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Tony Blair feilt bereits an seiner Rede, die er am kommenden Dienstag auf dem Labour-Parteitag im südenglischen Seebad Brighton halten wird. Es ist eine bedeutende Rede für den britischen Premierminister, denn noch niemals zuvor hatte seine Partei eine zweite Amtsperiode ordnungsgemäß zu Ende gebracht, geschweige denn eine dritte Amtszeit antreten dürfen. Diesmal könnte es klappen. Allerdings gibt es zuvor noch einige Hürden zu überwinden.

Die größte Hürde ist der Irak. Blair hatte gehofft, das Thema mit einer innenpolitischen Offensive etwas in den Hintergrund drängen zu können. So wird er versprechen, bis zum Ende der dritten Labour-Amtszeit genügend Hortplätze zu schaffen, sodass Kinder von acht Uhr morgens bis sechs Uhr abends betreut werden können. Das soll nicht nur für die ärmsten 20 Prozent gelten, sondern auch für die Mittelschicht, die aber zumindest einen Teil der Kosten übernehmen muss. Die flexible Kinderbetreuung ist der zentrale Punkt des Labour-Programms für die Wahlen, die wohl im Frühjahr stattfinden werden.

Wenigstens von den Tories droht Blair zur Zeit keine Gefahr. Parteichef Michael Howard, der als Innenminister der Rechtsaußen der letzten Tory-Regierung war und sich nach seiner Wahl an die Parteispitze im vorigen Jahr geläutert gab, ist zu seinen reaktionären Wurzeln zurückgekehrt: Die Tories werden mit einem politischen Cocktail aus Antiimmigration, Asylbewerberstopp und Abschaffung der Erbschaftssteuer bestreiten. Damit können sie allerdings bei den Wählern kaum landen.

Derzeit ist die politische Positionierung Blairs stark überschattet von der Geiselnahme des Briten Kenneth Bigley. Dieser hat sich in einer Videoaufzeichnung, die seine Kidnapper vorige Woche veröffentlichten, persönlich den britischen Premier gewandt: Er möge Mitgefühl zeigen, bettelte Bigley, er sei der Einzige, der ihm jetzt noch helfen könne. Aber Blair kann sich in Sachen Irak ja nicht mal selbst helfen. Er sagte, das Schicksal Bigleys gehe ihm sehr nahe. „Die Terroristen wissen, dass sie die modernen Medien manipulieren können, um enorme Aufmerksamkeit zu erregen und demokratische Politiker in Schwierigkeiten zu bringen“, sagte Blair gestern dem Observer. Er verglich die Situation im Irak mit dem Zweiten Weltkrieg: „1941 wurde mehr Blut vergossen als 1938.“ Auch im Irak werde die Situation vor dem Durchbruch zunächst schlechter.

Blair warnte den Iran, sich in den Konflikt einzumischen. Er verlangte von der Regierung in Teheran, die Grenzen zum Irak dichtzumachen. Blair will einen weiteren Krieg an der Seite von George Bush nicht ausschließen, schränkte jedoch ein: „Wir haben nicht vor, Konflikte in der ganzen Welt anzuzetteln, aber Tatsache ist, dass der globale Terrorismus die zentrale Bedrohung in unserem Zeitalter ist.“

Blair sagte, er habe sich beim Volk dafür entschuldigt, dass er in Bezug auf Iraks Massenvernichtungswaffen falsche Informationen geliefert habe. Er verstehe zwar, dass Menschen gegen den Krieg waren, doch jetzt müsse jeder einsehen, dass man im Irak bleiben und die Sache durchstehen müsse. Einige der großen Gewerkschaften, die von Anfang an gegen den Krieg waren, verlangen den sofortigen Rückzug britischer Truppen. Das Organisationskomitee, das für den reibungslosen Ablauf des Parteitages zuständig ist, hat immerhin acht kritische Anträge in Bezug auf den Irak zugelassen – darunter einige, die den sofortigen Truppenabzug fordern.

Die Chancen stehen gar nicht schlecht, dass die Delegierten das Thema Irak für einen der vier Debattenblöcke auswählen. Wie letztendlich abgestimmt wird, spielt zwar für die reale Politik keine Rolle, weil Blair sich an Parteitagsbeschlüsse nicht halten muss. Jedoch würde es die Partei weiter spalten, wenn er den Kriegsgegnern erneut die kalte Schulter zeigt.

Die Labour-Anhänger benötigen dringend Beweise, dass den Kriegsgegnern Gehör geschenkt wird, findet Mark Seddon, Mitglied des Labour-Vorstandes. „Blair muss sich am Dienstag nicht nur entschuldigen, dass er die Nation in die Irre geführt hat, sondern er muss auch versprechen, die Truppen abzuziehen und den Irakern zu erlauben, ihre eigenen Sicherheitsprobleme zu lösen. Außerdem muss er einräumen, dass erfolgreiche Wahlen im Irak erst nach dem Rückzug der Amerikaner und Briten stattfinden können.“

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