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Archiv-Artikel

Wölfe mit Visionen

Ex-Bundestrainer Henrik Dettmann will dem Basketball-Klub Mitteldeutscher BC zu mehr Strahlkraft verhelfen

WEISSENFELS taz ■ Seinen Wohnort hat Henrik Dettmann strategisch gewählt. Er befindet sich in der Nähe der Leipzig-Arena. Das ist eine moderne Sporthalle, in der der Mitteldeutsche Basketball-Club (MBC) in dieser Saison vier seiner Heimspiele austragen wird. Gestern Abend fand (nach Redaktionsschluss) das erste Match im Outlet-Center des MBC statt – gegen die Skyliners aus Frankfurt. Es wurde live vom Deutschen Sportfernsehen übertragen, was ein Erfolg ist, denn ursprünglich wollte der Sender eine Partie mit Beteiligung von Alba Berlin übertragen. Aber Dettmann macht es möglich, dass der Serienmeister in der Gunst der Fernsehmacher zurücksteht – zumindest vorläufig.

Normalerweise spielt Dettmanns neuer Klub in der Weißenfelser Stadthalle. Da gehen 3.000 Leute rein. Doppelt so viele passen in die Arena. Hört man Dettmann über seine Pläne mit dem MBC reden, dann scheint’s, selbst das Fassungsvermögen der Leipziger Spielstätte könnte bald nicht mehr ausreichen für einen Verein, der mit der Umbenennung von SSV Einheit Weißenfels in MBC nicht nur seine DDR-Vergangenheit tilgte, sondern sich auch vom Ballast des Provinziellen befreien wollte.

Genau das ist das Projekt des Henrik Dettmann, vor kurzem noch Trainer der deutschen Nationalmannschaft. Dettmann geht nicht einfach so zu einem neuen Verein. Einen Klub mit allenfalls begrenzter Strahlkraft und bisher eher dürftigen Ergebnissen mit Visionen und Zielen und Plänen zu versorgen – das ist die Aufgabe des Trainers, der mehr sein will als ein Technik- und Taktiklehrer. Dettmann umgibt gewissermaßen eine spirituelle Aura, die sich am besten in seinem basketballerischen Credo fassen lässt: „Sei bescheiden und versuche zu lernen; je mehr Spaß man dem Spiel gibt, desto mehr gibt es einem zurück.“

„Wir wollen hier für die Zukunft etwas aufbauen“, sagt der Finne, „diese Herausforderung ist für mich sehr reizvoll.“

Nun wartet die Region um Weißenfels, Leipzig, Halle und Naumburg, was der Musenkuss zeitigt, den der Inspirator dem MBC aufgedrückt hat. Im ersten Spiel hat es noch nicht recht funktioniert. Das Team, das sich zum Großteil aus Dettmann-Adepten wie Misan Nikagbatse, der aus Udine nach Weißenfels wechselte, zusammensetzt, aber auch auf erfahrene Spieler wie Wendell Alexis (ehedem Alba Berlin) und Stephen Arigbabu (aus Köln gekommen) vertrauen kann, verlor gegen Ludwigsburg mit einem Punkt. Die Freiwurfquote war miserabel. Die Stimmung des Coachs nach der Begegnung ebenso. In der Pressekonferenz schimpfte er, was eigentlich nicht seine Art ist, über einen Artikel im Stadionheft.

Dettmann wollte den Urheber des Textes zur Rede stellen, der dem MBC unterstellte, aus einer „Goldgrube“ schöpfen zu können und sich, derart gut versorgt, ein ambitioniertes Team zusammengekauft zu haben. Dettmanns Mission im Osten Deutschlands ein rein finanzielles Motiv nachzusagen und den Neuzugängen die Mentalität von Legionären – das war zu viel für Dettmann, der zuletzt ohnehin eine Menge hat einstecken müssen. Das Nationalteam scheiterte früh bei der EM in Schweden. Die Verantwortlichen des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) verhielten sich nicht gerade vorbildlich, als sie Dettmann aus seiner Funktion komplimentierten. In Weißenfels, dem Refugium des Finnen, soll nun alles anders werden.

„Alle neuen Spieler haben wir in eine Region gebracht, in der es nicht viel mehr gibt als Basketball“, sagt der 45-Jährige, „dennoch müssen wir es schaffen, dass sich die Spieler hier wohl fühlen und die Gesellschaft verstehen.“ Bei den Integrationsbemühungen assistiert ihm Co-Trainer Olaf Lange, der zuletzt die U22-Nationalmannschaft betreute. Der Etat, sagt Dettmann, sei nicht groß angestiegen. Nur zehn Prozent betrage die Aufstockung gegenüber der Vorsaison. Keine Rede könne davon sein, dass 700.000 Euro mehr zur Verfügung stünden wie mehrfach berichtet. „Ich bin selbst erstaunt, für wie wenig Geld die Leute bei uns spielen“, sagt er.

Geschäftsführer Matthias Hund war einer der Ersten, die Dettmann nach dessen sich abzeichnender Demission beim DBB ansprachen. Dettmann ließ sich schnell davon begeistern, dass er beim MBC große Gestaltungsmöglichkeiten besitzt, vieles formen kann. „Er kann Spieler entwickeln und ein Team nach vorn bringen“, sagt Hund. „Er hat die Stimmung enorm gepusht und auch die Erwartungshaltung“, sagt Ronny Herre vom Fanklub „Rudel“. Der MCB trägt den Beinamen die Wölfe. Es wird sich nun zeigen, ob der Verein unter der Führung Dettmanns mehr Biss bekommen hat.

MARKUS VÖLKER