: Was alles nicht funktionierte
Minijobs, Kombilöhne, Ich-AGs: Seit vielen Jahren versucht die Politik, die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu fördern.Die Ergebnisse dieser Arbeitsmarktpolitik sind mehr als mangelhaft. Meist wurde das Bestehende nur umverteilt
BERLIN taz ■ Vor genau 30 Jahren tauchte ein neues Phänomen in der Bundesrepublik auf: die strukturelle Arbeitslosigkeit, die nicht mehr verschwinden wollte. Seither wird experimentiert, um die Jobstatistik wieder besser aussehen zu lassen. An Einfallsreichtum hat es nicht gemangelt, doch bisher war kein Instrument so recht erfolgreich. Einige Beispiele aus jüngster Zeit:
Rund 8 Millionen Minijobs gibt es nun in Deutschland; das sind etwa 1,5 Millionen mehr als noch vor einem Jahr. Die rot-grüne Regierung feiert das als grandiosen Erfolg, doch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin ist skeptischer und kann keinen Beschäftigungsboom erkennen. Zwar würden Arbeitslose jetzt öfter einen Minijob bekommen – aber dafür entfielen die regulären Teilzeit- und Vollzeitstellen, die nun in mehrere Minijobs umgewandelt würden.
Der Minijob darf maximal 400 Euro monatlich abwerfen; zwischen 401 und 800 Euro gibt es dann den Midijob. Er wird regulär versteuert, doch die Sozialabgaben steigen für den Arbeitnehmer nur langsam von 4 auf 21 Prozent. Wie viele Jobs es davon inzwischen gibt, ist noch unklar: Die Rentenversicherer erstellen ihre Statistik erst im Januar. Aber schon gibt es den Verdacht, dass auch hier massiv reguläre Stellen gesplittet wurden.
Mini- und Midijob gehören zu den Kombilöhnen: Alle Varianten zeichnen sich dadurch aus, dass der Staat Niedriglöhne subventioniert – meist, indem er Steuern und Sozialabgaben reduziert. Es ist eine beliebte Forderung, den Kombilohn auszudehnen. Manchmal erscheint er geradezu als Geheimwaffe. Doch die Diskussion endet immer schnell: Nicht finanzierbar. So hat das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit ermittelt, dass es vier Milliarden Euro kosten würde, die Sozialbeiträge bis zu einem Einkommen von 1.250 Euro zu reduzieren. Gleichzeitig dürften nur maximal 100.000 neue Jobs entstehen – also würde jede Stelle 55.000 bis 60.000 Euro kosten.
Auch der Jobfloater klang gut: Wenn Unternehmen einen Arbeitslosen beschäftigen, dann können sie einen zinsgünstigen Kredit von bis zu 100.000 Euro beantragen. Ursprünglich wollte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) damit allein im Jahr 2003 etwa 50.000 neue Stellen schaffen. Doch nach einem Jahr gab er das Programm auf – höchstens 11.000 Jobs waren entstanden. Allerdings dürfte es sich selbst bei diesem mageren Ergebnis vor allem um „Mitnahmeeffekte“ handeln, weil die Firmen sowieso investieren wollten.
Große Hoffnungen setzte man auch auf die Personal-Service-Agenturen. Über staatlich finanzierte Leiharbeit sollten jährlich 50.000 Arbeitslose eine Stelle finden. Doch seit 2003 haben nur 17.816 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden.
Liegt es vielleicht an den unfähigen Arbeitsagenturen, dass so viele Menschen arbeitslos sind? Diese Vermutung ist beliebt und wurde ab April 2002 einem Praxistest unterzogen. Alle Arbeitslosen, die länger als drei Monate ohne Job sind, dürfen einen Vermittlungsgutschein beantragen. Etwa 1,2 Millionen solcher Gutscheine, die zu einer Beratung in einer privaten Arbeitsvermittlung berechtigen, haben die Agenturen inzwischen ausgestellt – aber nur etwa 82.000 wurden eingelöst, weil ein Erwerbsloser tatsächlich in eine sozialversicherungspflichtige Stelle vermittelt wurde.
Auch diese Idee schien bestechend: Die Arbeitslosen sollten sich ihren Job selbst schaffen – und als Ich-AG selbstständig werden. Im ersten Jahr erhalten solche Ich-AGs einen monatlichen Zuschuss von 600 Euro, der im zweiten Jahr auf 360 Euro und im dritten Jahr auf 240 Euro sinkt. Seit Januar 2003 läuft das Projekt; bisher sind bundesweit 192.000 Ich-AGs gefördert worden, 157.000 davon existieren noch.
Den Arbeitsagenturen ist nicht bekannt, was aus den restlichen 35.000 Ich-AGs geworden ist. Sind sie so erfolgreich, dass sie keine Förderung mehr erhalten? Oder sind sie pleite? Eine Evaluation soll erst nächstes Jahr starten. Allerdings waren Experten nie besonders optimistisch. Wie die Universität Bonn in einer Studie ermittelte, erlebt durchschnittlich nur jede zweite neue Firma ihren fünften Geburtstag. Je mehr Jungunternehmer auf den Markt drängen, desto schlechter fällt diese Fünfjahresbilanz aus. Ich-AGs dürften also keine zusätzlichen Jobs schaffen, sondern nur die Konkurrenz zwischen den Firmen verschärfen – so die Prognose der Universität Bonn.
Diese Erkenntnis dürfte auch prinzipiell gelten: Arbeitsmarktmaßnahmen allein können die Arbeitslosigkeit nicht bekämpfen – sondern höchstens umverteilen. ULRIKE HERRMANN