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Archiv-Artikel

Antisemitismus pur

Malaysia stellt antijüdische Äußerungen von Premier Mahathir beim OIC-Gipfel als Missverständnis dar

BANGKOK taz ■ Die Reaktionen waren erwartungsgemäß heftig: Die EU und USA haben die jüngsten antijüdischen Äußerungen von Malaysias Premier Mahathir Mohamad als „beleidigend“ und „hetzerisch“ kritisiert. Das Auswärtige Amt in Berlin hatte zudem den Geschäftsträger der malaysischen Botschaft einbestellt, um „auf das Schärfste“ gegen die Worte Mahathirs zu protestieren.

Die Wiederholung solcher Vorurteile und deren Verquickung mit dem tragischen Kapitel europäischer und deutscher Geschichte, dem Holocaust, sei unverantwortlich, hieß es in einer Stellungnahme des Amtes. Zur Eröffnung des Gipfeltreffens der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) am Donnerstag in der malaysischen Stadt Putrajaya hatte der Premierminister erklärt, die rund 1,3 Milliarden Muslime in aller Welt seien unschlagbar, solange sie untereinander einig seien. Sie würden sich auch von „ein paar Millionen Juden“ nicht unterkriegen lassen, hatte Mahathir mit Blick auf den Nahostkonflikt gesagt.

„Die Europäer töteten sechs von zwölf Millionen Juden. Aber heute regieren die Juden diese Welt durch Stellvertreter. Sie lassen andere für sich kämpfen und sterben“, so der für seine äußerst umstrittenen Reden bekannte Regierungschef. Die Worte waren von den Anwesenden aus 57 islamischen Nationen mit Ovationen bedacht worden. „Sie waren keineswegs antisemitisch“, sagte etwa Jemens Außenminister Abubakr al-Qirbi. Mahathir habe bloß Fakten aufgelistet, die in der muslimischen Welt als herausfordernd gelten würden.

Die EU-Außenminister erklärten am Rande des EU-Gipfels in Brüssel, die Ausdrucksweise Mahathirs sei „sehr beleidigend“. Auch das US-Außenministerium sprach von beleidigenden und aufhetzenden Äußerungen.

In Malaysia ist man unterdessen auf ambivalente Weise um Schadensbegrenzung bemüht. Der malaysische Außenminister Syed Hamid Albar erklärte gestern, es habe sich um ein Missverständnis gehandelt. Die Worte Mahathirs seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. „Es war nicht die Absicht des Premiers, eine Kontroverse auszulösen“, so Syed Hamid. Der Islam sei nicht antijüdisch. Das eigentliche Problem sei die Staatsgründung Israels.

Der für seinen Machtinstinkt und seine schrille Kritik am Westen bekannte Mahathir, der auch gegenüber innenpolitischen Kritikern stets einen autoritären Kurs verfolgt hat, wird Ende Oktober nach 22 Jahren Regierungszeit zurücktreten. NICOLA GLASS