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Archiv-Artikel

Hoher Preis für Arbeit

Ein Themenabend beleuchtet das moderne Nomadentum zwischen Wall Street und Sri Lanka (ab 20.45 Uhr, Arte)

Jay Gaines hat es wohl geschafft. Sitzt in einem Büro an der Wall Street und hilft für fünfstellige Honorare Unternehmen auf der Suche nach neuen Chefs. Ein Headhunter jenseits der 50 mit Maßkleidung und einer sonoren Stimme, in der viele Erfolge mitschwingen.Allerdings irritiert das Pflaster auf der hohen Stirn. „Manchmal geraten die Dinge außer Kontrolle“, sagt er in die Kamera. Kurz darauf sehen wir ihn und sein Team inmitten einer Krisensitzung.

So nah an ihren Protagonisten wie „Kapital: Mensch“ sind Dokumentarfilme selten. Nach Schätzungen der Arbeitsorganisation ILO sind weltweit rund 86 Millionen Menschen als Gastarbeiter unterwegs. An drei Schauplätzen begegnen Lilian Franck und Robert Cibis den Spuren des modernen Nomadentums.

Neben der Arbeitsvermittlung im Premium-Segment der Wall Street begleiten sie eine junge Frau aus Sri Lanka, die in Zypern eine Stelle als Hausangestellte antritt. „Sie ist ein nettes Mädchen, sie lächelt immer“, stellt sie ihr Vermittler dem neuen Arbeitgeber vor. Viel Grund dazu hat sie nicht. Ihr Mann starb bei einem Unfall, jetzt muss sie für den Unterhalt ihrer beiden Kinder sorgen, die sie zu Hause zurückgelassen hat. Hält sie sechs Jahre durch, hat sie ausgesorgt.

Das dritte Beispiel zeigt zwei Bauarbeiter aus Sachsen-Anhalt, die ihre Chancen im vereinigten Europa suchen.

Für den Bau des fünften Terminals in London Heathrow büffeln sie Englisch und spielen eine Variante des Kofferpackens. Das ist komisch und tragisch zugleich, denn es bleibt beim Spiel. Kurz vor der geplanten Abreise wird ihnen abgesagt.

Es sind nicht nur die Geschichten, die anrühren. Auch hoch ästhetische Bilder ziehen immer wieder in den Film. Gekonnte Schnitte machen klar, dass auf unterschiedlichen Ebenen ähnliche Strukturen und Probleme vorherrschen. Der Preis für einen Arbeitsplatz kann sehr hoch sein, egal ob an der Wall Street oder in Sri Lanka.

Teil zwei und drei des Abends wenden das Thema Beruf zur Berufung. In „Das halbe Leben“ begleitet Mechthild Gassner den unkonventionellen Vermittlungscoach Thomas Heinle. Nur wer das, was er tut, mit Leidenschaft tut, wird gut und überzeugend sein, lautet sein Credo.

Das gilt auch für die Protagonisten des letzten Films „Der glückliche Sisyphos“ von Georg Piller und Tilman Warnke. Vorgestellt werden der ehemalige VW-Vorstand Daniel Goeudevert, der nach seinem Ausscheiden aus der Wirtschaft eine unkonventionelle Managerschule ins Leben rufen wollte, und Gerald Bessmer, der mit seinen Ersparnissen ein Heim für Straßenkinder in Ghana gründete – zwei Idealisten, die gerne tagtäglich ihren Stein auf den Berg rollen.

STEPHAN KOSCH