: Bundesagentur entdeckt mehr Arbeitslose
Erste Effizienzerfolge sind beim Umbau der ehemaligen Bundesanstalt für Arbeit bereits zu beobachten – sie findet mehr Joblose, als bisher erwartet. SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner: „Verstecken können wir sie ja nicht“
BERLIN taz ■ Der Bundesagentur für Arbeit (BA) läuft die Zeit davon. Nur 36 Prozent der künftigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger haben bisher ihre Fragebögen komplett ausgefüllt und und an die Agentur geschickt. „Das ist weniger, als wir erwartet hatten,“ sagte der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, gestern auf einer Tagung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Und warnte sogleich die schreibfaulen Arbeitslosen: „Die Zeit für gute Beratung wird somit natürlich knapper.“
Sollte der Rücklauf nicht stärker werden, drohen der BA im kommenden Januar Probleme. Nur nachdem der korrekt ausgefüllte Fragebogen an die Agentur zurückgegangen ist, können deren Mitarbeiter berechnen, wie viel Alg II jemand bekommt. Nicht allzu weit ist auch der Umbau der alten, muffigen Arbeitsämter in neue, kundenfreundliche Serviceagenturen gediehen. Nur 25 bis 30 davon soll es bis Jahresende geben, der Rest der bundesweit 180-BA-Bezirke kann erst bis Ende 2005 renoviert werden. „Wir wären gern schneller“, sagt BA-Chef Weise.
Aber: Die Regionalagenturen der BA müssen in Deutschland mit etwa 440 Sozialhilfeträgern über die Zusammenarbeit verhandeln, erst 80 feste Vereinbarungen gibt es. Außerdem gebe es Probleme, die Servicecenter einzurichten, welche den Arbeitslosen noch vor den eigentlichen Sachbearbeitern abfangen – und ihn sogleich zum richtigen Ansprechpartner geleiten. Die Software, welche den Arbeitslosen ausrechnet, wie viel Geld sie von der BA bekommen, soll nicht stabil laufen. Die Bundesagentur rechnet damit, dass alle „eventuellen Probleme behoben werden können.“ Sollte dies nicht klappen, wären wohl zusätzliche Mitarbeiter nötig – die per Hand rechnen. Die Kosten für Ausfälle trüge der Bund, sagt Weise.
Doch auch die BA selbst wird den Bund mehr kosten als geplant. Ursprünglich sollte sie mit einem Bundeszuschuss von 5,2 Milliarden Euro auskommen. Aber „nach der letzten Einschätzung sind es 5,8 Milliarden Euro“, sagte Weise am Montag in Berlin. Durch die weiter abnehmende Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstellen sei es zu Einnahmeausfällen von über einer Milliarde Euro gekommen. Die BA hatte mit 26,5 Millionen Stellen gerechnet. Bis Ende 2004 wird die Zahl Weise zufolge auf unter 26 Millionen sinken.
Bessere Erfassung – 350.000 Joblose mehr
Wachsen wird dagegen die Zahl der Arbeitslosen. Durch das Erfassen der erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger könnte die Statistik der BA im nächsten Jahr 350.000 bis 400.000 mehr Arbeitslose aufweisen. „Verstecken können wir sie ja nicht“, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Brandner. Die Arbeitslosen würden ja nicht faktisch mehr, sondern nur immer besser erfasst. Schließlich sei es „auch eines der Ziele unserer Regierung, die Dunkelziffer auszuleuchten“, sagte der SPD-Arbeitsmarktexperte.
Dem zu erwartenden Anwachsen der Arbeitslosenzahlen stehen etwa 350.000 so genannte Ein-Euro-Jobs gegenüber, welche die BA zusätzlich schaffen will. Außerdem sollen die neuen Serviceagenturen bis zu 30 Prozent mehr Stellen vermitteln. In der Modellagentur Heilbronn konnten die Mitarbeiter der Bundesagentur sogar das Doppelte dessen akquirieren, was das alte Arbeitsamt an Stellen aufgetrieben hatte. Dort hatten sich lediglich jene Unternehmer wieder gemeldet, die jegliches Vertrauen in die alten Ämter verloren hatten. „Für das gesamte Bundesgebiet halte ich solche Zuwächse allerdings für unrealistisch“, sagte Weise. DANIEL SCHULZ