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Archiv-Artikel

Schwule Meerschweinchen

Es geht doch nichts über natürliche Rasenmäher – solange sie homosexuell sind

Dann legen die lesbischen Wellensittiche sechs Eier und beginnen zu brüten

Wer eine Fachfrau für Bequemlichkeit zu Hause hat, darf sich täglich an Zeit sparenden Ideen erfreuen: „Ich weiß, wie wir nie wieder Rasenmähen müssen“, ruft die Fachfrau für Bequemlichkeit da beispielsweise. „Die Idee ist von mir, du kaufst die Meerschweinchen!“

Wer daraufhin als erwachsener Mann ins Kuscheltiereck einer Tierhandlung geht, lernt viel über Vorurteile: „Die wollen Sie doch nur als Schlangenfutter!“, unterstellt die Kuscheltierfachverkäuferin sofort. „Dafür verkaufen wir die aber nicht!“ Sobald der erwachsene Mann dann versichert, gar keine Schlangen zu besitzen, greift bei der erleichterten Kuscheltierfachverkäuferin sofort das nächste Vorurteil: „Ach, dann sind die für Ihre Kinder! Wie nett!“ Der erwachsene Mann räuspert sich: „Nein, die sollen nur für den Rasen sein. Zum natürlichen Mähen. 16 Quadratmeter. Wie viele brauch ich da?“ Die Kuscheltierfachverkäuferin geht zur fachlichen Beratung über: „Nehmen Sie vier, die reichen. Aber ich warne Sie: Meerschweinchen vermehren sich wie Sau. Wenn Sie nicht demnächst fünfzig davon haben wollen, rate ich zu zwei gleichgeschlechtlichen Paaren.“ Der erwachsene Mann überlegt kurz, inwieweit er homosexuelle Kleintiere in seinem Garten haben will, sieht jedoch ein, dass fünfzig Mähmaschinen denn doch den Rahmen des natürlich wachsenden Futterangebotes sprengen würden: „Okay, ich nehme zwei lesbische und zwei schwule.“

Zu Hause angekommen, wird der erwachsene Mann erst mal geschimpft: Die Fachfrau für Bequemlichkeit entdeckt nämlich Fehler in seinem Einkauf: „Weißt du, was mit Lesben und Schwulen passiert, wenn man sie zusammen auf einen Rasen setzt? Die werden hetero und poppen! Du Depp.“ Nun kennt der erwachsene Mann zwar durchaus diverse Lesben und Schwule, die zweifellos auf demselben Rasen weilen können, ohne sich plötzlich sexuell umzuorientieren. Aber es scheint hier Unterschiede zwischen Homo sapiens und Kleinnagern zu geben. Ein Anruf bei der Kuscheltierfachverkäuferin bestätigt leider die überall im Kuscheltierfachgeschäft aufgehängten Warnhinweise: „Tiere sind vom Umtausch ausgeschlossen.“ Mist. Sterilisieren fällt auch flach, weil die Operationskosten das Vierfache des Anschaffungspreises übersteigen würden. Der Vorschlag: „Wir könnten die zwei Weibchen ins Klo werfen und dafür zwei neue Männchen kaufen“, wird von der Bequemlichkeitsfachfrau abgelehnt: „Du bist so eklig!“ Bald schon fühlen sich die natürlichen Mähmaschinen im neuen Reich heimisch. Gemischtgeschlechtlich erfreuen sie sich des frischen Grases, tun fleißig ihre Arbeit und köteln danach brav in die Kötelecke. Der erwachsene Mann und seine Fachfrau für Bequemlichkeit sind voll des Entzückens, betrachten die erfolgreiche Anschaffung den ganzen Tag, und als sie zufrieden ins Bett gehen, kommt die Nachbarskatze und frisst die beiden Weibchen. Bis auf die Köpfe. Mist. Am nächsten Morgen ist das Wehklagen groß: Der schöne neue Rasenmäher! Gestern erst gekauft und schon kaputt! Was als bequeme Arbeitssparmaßnahme geplant war, mutiert zum Fulltime-Job: „Du baust jetzt ein Gatter!“, befiehlt die Fachfrau für gnadenloses Festhalten an blöden Ideen. „Katzensicher! Mit Draht oben!“ Kurz wägt der erwachsene Mann die zwei Möglichkeiten ab: A) Drahtgestell verschiebbar. Muss jeden Tag umplatziert werden, um die Schweine vom bereits abgemähten Bereich zur nächstfälligen Mähzone zu bringen. B) Drahtgestell rasenüberspannend. Die Schweine können überall mähen, aber der Rasen ist nicht mehr betretbar. Version B ist Mist. Version A ist uneffektiv. Die Fachfrau für spontane Umentscheidungen will plötzlich Version C: „Wir bauen eine Voliere! Da können wir noch Vögel reintun und Hasen, und das wird dann total der Hinkucker!“ Ende August ist der „Hinkucker“ fertig: 4 x 4 x 2 Meter, 2 Meerschweinchen, 2 Wachteln, 2 Wellensittiche, 2 Zebrafinken, 2 Kanarien; der erwachsene Mann muss alle füttern. Wenn er den Rasen gemäht hat, kann er das Gras in die Voliere tun. Da freuen sich die Tiere. Alle Freunde kommen zum Kucken: „Das ist ja toll! Die sind aber süß! Was macht ihr denn, wenn die alle Junge kriegen?“ Der erwachsene Mann erklärt den Freunden, dass alle Tiere schwul sind. Aus praktischen Erwägungen. Ende September ist Schluss mit Sommer. Die Fachfrau für Tierliebe kriegt Besorgnisanfälle: „Müssen die jetzt nicht rein? Bald ist Winter! Die erfrieren doch!“ Mist. Der erwachsene Mann erklärt schonend, dass im Haus kein Platz ist: „Die müssen eben winterhart werden!“ Vier Tage scheint es so, als könnte die Fachfrau für Tierliebe mit dieser Entscheidung leben. Dann legen die lesbischen Wellensittiche sechs Eier und beginnen zu brüten. Seit gestern haben die schwulen Meerschweinchen drei Junge. Der erwachse Mann montiert den Wohnzimmerschrank neben der Heizung zum Winterquartier für süße Tierkinder um. Falls Sie einen Rasen zu Hause haben: Pfeifen Sie auf Bequemlichkeit! Mähen Sie ihn von Hand!

FRANK M. ZIEGLER