: Karl vom Giftgas, bitte für uns
Am Sonntag wird Österreichs letzter Kaiser selig gesprochen: Obwohl der katholische Monarch den Einsatz von Giftgas im Ersten Weltkrieg rechtfertigte
AUS WIEN RALF LEONARD
Kaiser Karl von Österreich, König von Ungarn und Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slavonien und Galizien, der letzte Habsburger-Herrscher, wird am Sonntag in einer pompösen Zeremonie in Rom unter die Seligen aufgenommen. Die Beatifikation des Monarchen, eine Vorstufe zur Heiligkeit, ist das Ergebnis jahrzehntelanger Lobbyarbeit im Vatikan. Während in manchen Kreisen Österreichs monarchistische Nostalgie aufblüht, kommt aus Kirche, Wissenschaft und Politik offene Kritik.
Historiker können in der kurzen Regentschaft Karls nichts entdecken, was ihn für die Auszeichnung qualifiziert hätte. Für die Habsburg-Spezialistin Brigitte Hamann etwa war Karl „ein schwacher, unsicherer junger Mann, der von seiner Umgebung abhängig war“. Als Herrscher machte er eine unglückliche Figur. Seine geheime Friedensmission im Jahre 1917 – bekannt als Sixtus-Affaire – war stümperhaft und sollte zu Lasten Deutschlands gehen.
Einsatz von Giftgas
Er rechtfertigte ausdrücklich den Einsatz von Giftgas 1917 in einer Schlacht, die später als „Wunder von Karfreit“ zum heroischen Sieg verklärt wurde. Und auch seine Abdankung nach dem verlorenen Krieg war alles andere als elegant. Seinen Rücktritt hatte er nur mit Bleistift unterzeichnet. Und kaum war er außer Landes, widerrief er ihn wieder. Für den Historiker Manfried Rauchensteiner war das der eigentliche Grund für die Enteignung der Familie Habsburg. Zweimal versuchte Karl über den ungarischen Thron wieder an die Macht zu kommen. Umgeben von Schmeichlern, die ihm einen triumphalen Empfang versprachen, reiste er zweimal heimlich in das vom faschistischen „Reichsverweser“ Miklos Horthy regierte Ungarn ein, das formal noch eine Monarchie war. Aber Horthy übergab den lästigen König von Ungarn an die Briten, die ihn ins Exil nach Madeira beförderten. Dort starb er im April 1922 an der Spanischen Grippe, wie Sohn Otto glaubt, oder an einer Lungenentzündung, wie die Geschichtsschreibung festhält.
Er sei ein „vorbildlicher Christ, Ehemann, Familienvater und Herrscher“ gewesen, heißt es in der Begründung der vatikanischen Heiligsprechungskongregation. Dieses erlauchte Gremium beseitigte am vergangenen 20. Dezember die letzte Hürde, indem sie ein Wunder, das jedem Seligen abverlangt wird, anerkannte. Es wird jetzt als erwiesen angesehen, dass Karl 38 Jahre nach seinem Tod eine polnische Nonne in Brasilien von ihren Krampfadern geheilt hat. Daraufhin ergriff auch Kardinal Christoph Schönborn, der sich bis dahin nicht als Anwalt der Seligsprechung hervorgetan hatte, für den letzten Kaiser Partei. Er darf am Sonntag das Hochamt mit dem Papst konzelebrieren. Ein Teil des Klerus reagierte aber skeptisch.
Die Beatifikation und die Frage, wie die Republik sich dazu verhalten soll, entzweit auch die Politik. Schließlich wurde Karl Habsburg des Landes verwiesen, weil er seinen Thronverzicht widerrufen hatte. Bis heute dürfen Mitglieder des Hauses Österreich erst dann betreten, wenn sie auf allfällige Erbansprüche verzichten. Anders als in Deutschland schaffte die Erste Republik den Adel ab. Die Güter des Hauses Habsburg wurden beschlagnahmt und dem Fonds für Kriegsopfer zugeschlagen.
Politik ist gespalten
Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ), der von Otto Habsburg persönlich für kommenden Sonntag nach Rom eingeladen wurde, konnte sich seiner Repräsentationspflicht elegant entziehen. Als Agnostiker fühlt er sich bei dem katholischen Spektakel fehl am Platz. So schickt er Nationalratspräsident Andreas Khol (ÖVP), der ist nicht nur formal der zweite Mann im Staat, sondern auch erzkatholisch. Dieser lässt sich von zwei ParteigenossInnen, dem Tiroler Landeshauptmann Herwig van Staa und der nicht minder katholischen Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat begleiten, die mit einem Grafen verheiratet ist und daher quasi eine natürliche Affinität für blaublütige Treffen mitbringt.
Kritik von Sozialdemokraten und Grünen, die naturgemäß stärker den republikanischen Traditionen verhaftet sind, wies Rauch-Kallat als kleingeistiges Raunzen zurück. Der Familie Habsburg sei „aus ideologischer Verblendung tiefes Unrecht geschehen“, rügte sie SPÖ-Fraktionschef Josef Cap, der meint, der Giftgaseinsatz am Isonzo qualifiziere den letzten Monarchen wohl kaum für die ewige Seligkeit.
Den Vogel an monarchistischem Überschwang schoß aber Wilfried Seipel, Direktor des Kunsthistorischen Museums, anlässlich der Präsentation einer für den Seligen sehr schmeichelhaften Biografie in seinem Hause ab. Er stehe nicht an, huldigte er dem 92-jährigen Kaisersohn Otto, „das Oberhaupt der Familie Habsburg als Seine Kaiserliche Hoheit zu begrüßen“. Damit lag der studierte Ägyptologe nicht nur als Angestellter der Republik daneben. Otto Habsburg selbst weist manchmal diskret darauf hin, dass er eigentlich nur Erzherzog sei. Laut einer Richtlinie des damals noch SPÖ-geführten Innenministeriums aus dem Jahre 1957 lautet die korrekte Anrede „Dr. Otto Habsburg-Lothringen“.
Die Seligsprechung, für die die von der Kaiserwitwe Zita geförderte Kaiser-Karl-Gebetsliga jahrzehntelang nicht nur gebetet, sondern alle politischen Hebel in Bewegung gesetzt hatte, wurde schon in der Ersten Republik auch von der Politik betrieben. Einer der eifrigsten Fürsprecher war der spätere Bundespräsident Wilhelm Miklas. Eingeleitet wurde der Seligsprechungsprozess nach dem Krieg von Kardinal Theodor Innitzer. Die Gebetsliga, der niemand geringer vorsteht, als der umstrittene St. Pöltener Diözesanbischof Kurt Krenn, zählte in ihrer besten Zeit weltweit mehr als 30.000 Mitglieder. Jetzt sind es gerade noch bescheidene 3000. Mit der Seligsprechung am kommenden Samstag hat sie nur einen Etappensieg erreicht. Die nächsten Vorhaben sind die Seligsprechung der 1989 verstorbenen Zita und natürlich die Heiligsprechung des seligen Kaisers. Dafür bedarf es weiterer Wunder.