: Mehr Verbraucherschutz bei Kosmetika
Das EU-Parlament beschließt, dass erstmals Kleinstpartikel etwa in Sonnenschutzcreme gekennzeichnet werden müssen. Denn bisher ist unklar, wie diese Substanzen auf die menschliche Gesundheit wirken. Umweltschützer fordern Verbot
AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER
In der EU sollen Verbraucher in Zukunft besser über die Zusammensetzung von Sonnencreme, Seifen und Kosmetika informiert und vor irreführender Werbung geschützt werden. Hersteller sollen auf Etiketten auch erstmals auf Kleinstpartikel hinweisen, deren Wirkung auf die menschliche Gesundheit noch erforscht wird, wie das EU-Parlament am Dienstag beschloss. Kleinste Nanopartikel können in tiefere Hautschichten und in die Blutbahnen dringen.
Die Abgeordneten entschieden auch, weiterhin keine Stoffe zu erlauben, die krebserregend oder fortpflanzungsschädigend sein könnten. Diese sogenannten CMR-Stoffe wurden in der Kosmetikrichtlinie von 2003 erstmals auf die Rote Liste gesetzt, was die Gesetzgebung zum Verbraucherschutz stark beeinflusste. Denn die Frage, ob ein Stoff, den ein erwachsener Mensch nicht auf seine Haut auftragen darf, von Kindern in den Mund genommen werden soll, prägte zum Beispiel die politische Debatte um die Spielzeugrichtlinie. Auch bei alternativen Testmethoden, die Tierversuche ersetzen sollen, war die Kosmetikgesetzgebung Vorreiter.
Wer ahnt schon, dass die Firma Mars mit Titandioxid als Schokoüberzug experimentiert, weil das die Riegel so schön glänzend macht? Wer weiß, dass Ketchup mit Silizium versetzt wird, um es dickflüssiger zu machen? Viele Kunststoffverpackungen sind heute schon nanobeschichtet, um zu verhindern, dass zum Beispiel Kohlensäure entweicht. Die Eigenschaften dieser Kleinstpartikel, die durch Hautporen und Bindegewebe dringen und so in die Blutbahn gelangen können, sind aber völlig unerforscht.
Die Abgeordneten beschlossen nun, dass Hersteller, die ihren Kosmetikprodukten Nanostoffe zufügen wollen, die EU-Kommission darüber informieren müssen. Die kann im Zweifelsfall eine Sicherheitsprüfung verlangen. Sollte der Zusatzstoff genehmigt werden, muss er auf dem Etikett des Produkts ausgewiesen sein. Die SPD-Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt zeigte sich erleichtert, dass die neue Verordnung nicht hinter die bestehende Gesetzgebung zurückfällt. Mehrere Mitgliedsländer hatten gefordert, krebserregende und erbgutverändernde Stoffe nicht länger zu bannen. „Es ist völlig inakzeptabel, dass einige Mitgliedstaaten ernsthaft eine Auflockerung dieses Verbots gefordert haben“, erklärte Roth-Behrendt nach der Abstimmung. „Hier gab es im Parlament keine Kompromissbereitschaft.“
Die EU-Kommission freut sich, dass die Verordnung den Bürokratiedschungel lichtet. Da diese 2012 unmittelbar in Kraft tritt und nicht wie eine Richtlinie in nationale Gesetze übertragen werden muss, fallen 3.500 Seiten an Rechtstexten weg. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) aber kritisiert die lange Übergangsfrist. Er fordert ein Moratorium für Nanopartikel. „Bis die Verordnung in Kraft tritt, werden die Verbraucher noch jahrelang als Testpersonen missbraucht“, kritisiert Jurek Vengels, BUND-Experte für Nanotechnologie.