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Archiv-Artikel

Die Bahn muss sich bewegen

Bei der Vorstellung seines Umweltberichts brachte Bahnchef Mehdorn gestern mit dem Chef des Umweltbundesamtes gleich seinen eigenen Kritiker mit. Troge fand deutliche Worte: Die Bahn müsse sich ändern, um weiterhin ökologisch zu bleiben

von HANNA GERSMANN

Ökologische gesehen schlägt die Bahn das Auto, das Flugzeug, den Lastwagen: Sie verbraucht weniger Energie, stößt weniger Schadstoffe aus, ist umweltfreundlicher. Nur: Wie lange noch? Nach Ansicht von Professor Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes, kann sich das schnell ändern. „Will die Bahn ihren Vorsprung behalten, darf sie nicht locker lassen“, ermahnte er gestern Hartmut Mehdorn. Der Bahnchef hatte Troge dazugeladen, um mit ihm gemeinsam den aktuellen Umweltbericht der Bahn zu präsentieren. Die Konkurrenz schlafe nicht, Autos und Flieger hielten immer striktere Grenzwerte ein, warnte der Umweltschützer den Bahnmanager.

Für Mehdorns Anstrengungen im Klimaschutz vergab Troge immerhin ein „Fast-Lob“. Die Bahn hat den Ausstoß von Kohlendioxid im Vergleich zu 1990 um zwei Millionen Tonnen gesenkt – und damit um ein Viertel. So erreichte sie ihr selbst gestecktes Klimaschutzziel schon drei Jahre früher als geplant. Der geringere Ausstoß des Treibhausgases sei neuen Triebwagen zu verdanken, erläuterte Mehdorn. Zudem seien die Züge, wenn auch nicht im Fernverkehr, so doch im Nahverkehr besser ausgelastet. Auch seien die Kraftwerke, die den Strom für die Bahn erzeugen, effizienter geworden. Und: Mittlerweile macht der Anteil erneuerbarer Energien wie Wasser und Wind 13 Prozent am Bahnstrom aus.

„Die Bundesregierung honoriert das aber nicht, im Gegenteil, sie bremst uns aus“, wettert Mehdorn. Anders als in den meisten europäischen Ländern zahlt die Bahn in Deutschland den üblichen Mineralölsteuersatz plus Ökosteuer. Troge hält dagegen: „Kohlendioxid zu vermindern ist das eine, der hohe Verbrauch das andere.“ Schließlich belaste die Produktion von Strom die Umwelt dreimal mehr als die von Mineralöl. 85 Prozent ihres Verkehrs betreibt die Bahn mit Strom, 15 Prozent mit Diesel.

Die Dieselloks machen Troge ebenfalls Sorge. Sie stoßen pro Tonnenkilometer etwa genauso viel Krebs erregende Rußpartikel aus wie ein Lastwagen, der künftig die strenge Euro-5-Norm einhält. Damit verspiele die Bahn demnächst ihren Umweltvorteil. Deshalb, so Troge, müsse sie jetzt handeln. Mehdorn aber erwiderte, die Nachrüstung aller Loks mit Abgasfiltern sei viel zu teuer. „Wir haben keine Gelddruckmaschine“, schimpfte er.

Das größte Umweltproblem der Züge aber ist der Lärm. Mehdorn sieht die Lösung in neu entwickelten, deutlich leiseren Bremsen, die aus Kunststoff statt aus Eisen sind. Aber auch die „Flüsterbremsen“ seien teuer, moniert er – und fordert deshalb erneut Geld von der Bundesregierung. Der Geräuschpegel könne drastisch gemindert werden, wenn die Bahn die Gleise häufiger schleifen würde, meint hingegen Troge. Je glatter die Schiene, desto geringer sei der Lärm der Räder. „Das hat die Bahn aber noch gar nicht erkannt.“

Etwas eint Troge und Mehdorn dann aber doch: Beide wünschen sich, dass möglichst viele Menschen von Auto und Flieger auf die Bahn umsteigen. Leere Züge werden niemals umweltfreundlich sein.