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Archiv-Artikel

berliner szenen On the Rocks

Spanische Lektionen

„Nach meinem Eindruck essen die Deutschen so gut wie nie, und wenn, dann nie richtig“, wundert sich der spanische Schriftsteller Rafael Chirbes (geboren 1949), während er beim Edel-Italiener in Mitte seine Bandnudeln genießt und vom Leben in der Provinz Extremadura erzählt. „Ich frage mich, wo die Deutschen überhaupt die Kraft hernehmen!“

Auch seine spanischen Kollegen, die uns als Gäste des internationalen Literaturfestivals Berlin Gesellschaft leisten, können sich über die hiesigen gastronomischen Sitten nur wundern. Der Erfolgsautor Javier Cercas ist empört darüber, dass in Berlin eigentlich nur das Bier halbwegs genießbar sei, „den Rest kann man vergessen“. Als wir nach dem offiziellen Abschluss des Abends, einer Diskussion über die Verfilmung seines Bestsellers „Die Soldaten von Salamis“ (2001), durch die Kneipen ziehen, setzt Cercas zur Beweisführung an. „Soll das etwa ein Whisky sein?“

Er starrt entgeistert auf ein winziges Glas, in dem etwas gelbe Flüssigkeit schwappt und ein popeliger Eisklumpen schon so gut wie geschmolzen ist. „Genau“, stimmt jetzt der spanische Shootingstar Andrés Barba ein, „gibt es hier etwa keinen Ballantines? Was soll dieser Prolo-Fusel Jack Daniels?“

Zähneknirschend bestellt man schließlich Chivas Regal. „Aber einen doppelten bitte, was sind das hier überhaupt für lächerliche Rationen“, nörgelt Cercas weiter. „Ich sage dir, Andrés“, rät Cercas schließlich seinem jungen Kollegen, „das mit den Festivals ist die Hölle. Am Anfang ist es ja noch ganz interessant. Aber am Ende reist du nur noch umher, um den Literaturclown zu spielen. Und schlechte Getränke serviert zu bekommen.“

JAN SÜSELBECK