piwik no script img

Archiv-Artikel

daumenkino Mann unter Feuer

Denzel Washington sieht rot. Als desillusionierter Antiterrorkämpfer will er sich nach Einsätzen im Irak ausgerechnet in Mexico City zur Ruhe setzen, wo der Menschenhandel die verlässlichste Wachstumsbranche ist. Und weil er dazu neigt, seine schlimmen Erinnerungen mit viel Whiskey wegzuspülen, braucht er natürlich ständig Kleingeld, um die Trunksucht zu finanzieren. Daher trifft es sich gut, dass die Familie Ramos gerade einen Bodyguard für ihre Tochter Pita sucht. Erst hält Denzel sie auf Distanz, dann freunden sie sich an, dann gelingt es Pita sogar, ihn vom Alkohol zu Gott führen. Natürlich wird sie gleich darauf entführt, was Denzel wiederum zum Anlass nimmt, sich in der zweiten Hälfte des Films an allen Beteiligten zu rächen. „Töte sie alle“, zischt ihm Pitas Mutter noch ins Ohr, da fängt er auch schon an, Finger zu amputieren, Ohren abzuschneiden, Granaten in Ärsche zu schieben und Raketenwerfer zu schultern. Christopher Walken – hier in der Funktion des griechischen Chors – erklärt: „Der Tod ist seine Kunst. Und jetzt ist er dabei, sein Meisterwerk zu schaffen.“ Wer das als Zuschauer nicht in Ordnung findet, gilt als Befürworter von Kindesentführung und organisierter Kriminalität. Um diesem auch erstaunlich langweiligen Murks Tiefe zu verpassen, drapierte Regisseur Tony Scott nicht nur ständig eine Bibel in den Kulissen, sondern nutzte auch alle Tricks, die überspannte Filmstudenten vor zehn Jahren für die Zukunft des Kinos hielten. Also werden Bilder beschleunigt, gedoppelt und verwackelt, es gibt jede Menge Jump-Cuts, und wenn Scott nicht mit dem Schärfenregler spielt, dreht er die Farben rein und raus. Am abgeschmacktesten sind jedoch die Schriftzüge, die er wie falsch platzierte Untertitel durchs Bild laufen lässt, die aber nichts untertiteln, sondern nur in der gleichen Sprache wiederholen, was ohnehin gerade jemand gesagt hat. Ähnlich ist Scott in „Staatsfeind Nr. 1“ vorgegangen, nur machte das in der Geschichte um Verfolgung und Überwachung tatsächlich Sinn. Hier fuhrwerkt er nur von allen guten Geistern verlassen in einer dumpfen Geschichte herum, die von einem soliden Hauptdarsteller gestützt wird, der sich seit seinem Oscar offenbar für nichts mehr zu schade ist. HARALD PETERS

„Mann unter Feuer“. Regie: Tony Scott. Mit: Denzel Washington, Dakota Fanning, Christopher Walken u. a. USA 2004, 146 Minuten